Tagespost Speyer, Jan. 1995, tp

Widerstreit der physikalischen Kräfte
Speyerer Künstler Eberhard Bosslet präsentiert in Hannover drei neue Installationen

Als zweiter Künstler in der Ausstellungsreihe Interventionen präsentiert Eberhard Bosslet seit 31. Januar bis zum 19. März in Hannover unter dem Titel “Verbau“ vier Arbeiten, die – wie dies der Intention dieser Austellungsreihe entspricht – auf die Architektur des Hauses eingehen und diese kommentieren. Mit den drei speziell für diesen Anlaß konzipierten Installationen „Sperre 1“, „Träger“ und „Hubwerk“ sowie der Bodenplastik „Offen II“ aus dem Jahr 1993 setzt sich Bosslet mit der schwierigen architektonischen Situation des „Museumsplatzes“ auseinander.
Die Reaktion auf architektonische Strukturen und deren Funktion ist für Bosslet kein neues Gebiet. Seit 1985 beschäftigt er sich mit „Unterstützenden Maßnahmen“ und „Interventionen im Innen- und Außenraum“. In seiner Werkreihe „Unterstützende Maßnahmen“ spannte Bosslet Stahlrohr- Deckenstützen senkrecht und waagerecht zwischen Decke und Boden.
Der dadurch provozierte Widerstreit der physikalischen Kräfte läßt die Materialität erfahrbar werden. Ort dieser Installationen sind häufig Räume mit spezifischen gebäudetypischen Eigenschaften wie Flure, Foyers, Fabriketagen oder, wie etwa 1987 auf der. ‚documenta 8, das Treppenhaus des Fridericianum.
Im Sprengel Museum Hannover verändert Bosslet mit den drei auf dem Museumsplatz positionierten Arbeiten den Raum dergestalt, daß die bisherige Wahrnehmung als auch Nutzung des Raumes nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Installation „Sperre 1“ hat eine Ausdehnung vom vier mal sechs Metern und ist rund 50 Zentimeter hoch. Die aus Transportbeton vor Ort hergestellte Arbeit ist unverrückbar auf die architektonischen Dimensionen ausgerichtet und den Weg blockierend eingebracht.
Die zweite Installation „Hubwerk“, eine breite Säulenschalung, umschließt eine weitere Säule des Platzes, wird aber von unten durch einen Scherenhubtisch so angehoben, daß sie an die Decke des Raumes stößt. Druck und Gegendruck spannen die Schalung ein und ordnen ihr einen disfunktionalen Platz zwischen „Himmel und Erde“ zu.
Verschiebt die Arbeit „Hubwerk“ optisch die Proportionen des Raumes, so täuscht die Bodenplastik „Offen II“, eine nicht vorhandene Funktionalität vor und stell damit ebenfalls die gewohnte Wahrnehmung in Frage. Zwei aufgepumpte Preßluftballons stecken in den Enden eines Kunststoffrohres, das bis zur Hälfte von einem Schlauch umwickelt ist, dessen Enden zu den Ballons führen.
Eberhard Bosslet, 1953 in Speyer geboren, arbeitet mit industriell gefertigten Materialien und Ausrüstungsteilen der Bauindustrie oder der Bürowelt. Stahlrohr-Deckenstützen, Betonschalungen, Hubkissen und Aktenschränke sind wichtige Bestandteile seiner Skulpturen und Installationen.
Die Arbeiten Bosslets beziehen sich meist auf den umgebenden Raum und reagieren auf die Architektur oder auf die Funktion der Gebäude. Die Orte seiner Installationen sind vielfältig. So „besetzte“ Bosslet 1994 in Speyer das Straßenbauamt, das Amtsgericht, die Stadtwerke sowie zahlreiche weitere öffentliche Gebäude mit seinen Objekten. tp