Kunstforum International Band 164 März-Mai 2003, Seite222-233

GESPRÄCHE MIT KÜNSTLERN

EBERHARD BOSSLET
,WENN ICH MICH TRIPELN KÖNNTE WÜRDE ICH ALLES PARALLEL MACHEN`
EIN GESPRÄCH MIT SVEN DRÜHL
Das Werk des in Dresden lebenden Künstlers Eberhard Bosslet zählt zu den reichhaltigsten und breitgefächertsten der zeitgenössischen Kunst. Es umfasst weit mehr als 15 Werkgruppen, die z.T. über Jahre hinweg immer wieder vorangetrieben und weiterentwickelt werden, z.B. "Spannstücke", "Interventionen ... .. Unterstützende Maßnahmen", "Fundamente", "Barrieren ... .. bilaterale Beziehungen", "Farben‑Werke", "Wandbehänge" und "Schürzen" oder die Fotoarbeiten "Schrott und Sonne".
Spätestens seit seiner Teilnahme an der documenta 8 mit der Arbeit "Anmaßend I + II', die sich über zwei Stockwerke erstreckte, ist er einem internationalen Kunstpublikum bekannt. In seinen massiven großformatigen Arbeiten aus dem Spannungsfeld von industrieller Technik und Kunst bilden u.a. Materialien wie Metallstreben, Verschalungselemente, Gummireifen und Druckluftflaschen das Ausgangsmaterial für die Befragung von Kontexten, Räumen und des gegenwärtigen Verständnisses von Bildhauerei. Auch im Bereich der Malerei hat Bosslet immer wieder die Grenzen des Mediums befragt, er malte seit den achtziger Jahren mit Wandfarbe, Bitumen, Haftputz und Industrielacken auf meist zweckentfremdete Bildträger wie etwa Bruchglas, PVC‑Bahnen oder Autoscheiben.
Überraschenderweise wirkt das Oeuvre trotz seiner Vielfalt niemals disparat. Alles hat miteinander zu tun, ist aufeinander bezogen, auseinander abgeleitet oder die Befragung eines Sachverhalts aus konträren Richtungen. Stets schafft es Bosslet, durch neue, den Betrachter überraschende, innovative Werkgruppen, sich dem vorherrschenden Trend zum leicht wiedererkennbaren Immergleichen zu entziehen. Zu nennen sind hier etwa "Analoge Scheiben" ‑ Malerei auf Trampolinen oder die Serie "Trabanten" aus der Werkgruppe der "Licht‑Werke", bestehend aus mehreren zu skurrilen Zweikörpern aneinander gesetzten Lampen und einem Konglomerat aus alten Fönen.

Sven Drühl: Du verwendest sehr viel unterschiedliche Materialien – etwa Verstrebungen, Hochdruck-Hebekissen, Schläuche, Aluminiumguß-Scheiben, Reifen, aber auch Glas, Segeltuch oder Beton. Hast Du Dein bevorzugtes Material noch nicht gefunden oder möchtest Du Dich nicht festlegen lassen?

Eberhard Bosslet: Weder noch. Für mich ist jedes Material nicht nur ein formloser Stoff, sondern meist auf ein Ding hin gefasst. Damit ist das Ding wie auch das Material immer schon Teil unserer sozio-wirtschafts-kulturellen Gegenwart und damit Inhalt. Deshalb möchte ich mich nicht auf einen Inhalt festlegen.

S.D.: Das Material ist für dich also gleichzeitig Inhalt?

E.H.: Ja, weil es kein Material im Sinne von Stoff ist, sondern im Sinne von Gegenstand. Wenn Material nicht ohne Gegenstand denkbar ist, bilden diese immer eine Einheit.

S.D.: Was wäre denn dann kein Material im Sinne von Gegenstand?

E.H.: Wasser beispielsweise oder Ton – das sind Materialien im Sinne von Stoff.

S.D.: Das hiesse ja, wenn du Segeltuch benutzt ist das zugleich ein Gegenstand?

E.B.: Genau, es ist ja ein qualifiziert entwickeltes Produkt aus dem ökonomischen Zusammenhang, es hat einen ganz bestimmten Anwendungszweck.

S.D.: Wäre Farbe ein Stoff?

E.B.: Genau, deshalb benutze ich keine Künstlerfarbe, weil sie als Farbstoff neutral ist – ich verwende industrielle, gewerbliche Farbstoffe, diese haben ihre Rechtfertigung, weil sie in unserer Gesellschaft noch relevant sind. Künstlerfarbe ist nur für den Künstler relevant und damit Kunstgewerbe – kunstgewerblich und degeneriert.

S.D.: Das klingt sehr konzeptuell. Benutzt du deshalb in den vielen Werkgruppen so unterschiedliche Materialien? Dokumentiert das die Suche nach noch verwendbaren Materialien?

E.B.: Das habe ich ja gerade versucht als Begriff auszuschalten. Material spielt für mich gar keine Rolle.

S.D.: Aber wie kommst du dann auf Hochdruckhebekissen oder Aluminiumguß-Scheiben?

E.B.: Zunächst einmal: ich bin kein Technik-Fan, aber natürlich bin ich unterwegs und halte meinen Blick offen. Ich gehe auch mal auf Messen, die nichts mit Kunst zu tun haben, so als eine Art Nebenrecherche. Aber eigentlich habe ich dort noch nie etwas unmittelbar für meine Produktion mitnehmen können.

S.D.: Auffällig ist, dass die aus anderen Kontexten entlehnten Gegenstände vielfach umfunktioniert, ungewöhnlich kombiniert oder ihrer Funktionalität zugunsten ästhetischer Gesichtspunkte völlig beraubt werden. Handelt es sich dabei um Ready-Mades höherer Ordnung?

E.B.: Da könnte ich jetzt flappsig ja sagen. Es handelt sich jedoch nicht um eine ästhetische Aufladung, denn die Ästhetik ist schon da.

S.D.: Aber du lenkst doch den Blick darauf...

E.B.: Ja, indem ich die Gegenstände isoliere. Aber das tut jeder Künstler. Wenn ich eine Landschaft male, exponiere ich diese auch. In manchen Pressetexten hiess es „Bosslet benutzt ungewöhnliche Materialien“, da habe ich dann immer eingewendet – nein, es sind gewöhnliche Materialien.

S.D.: Kannst Du mir etwas zu Deinem Faible für Kontextverschiebungen sagen?

E.B.: Kontextverschiebungen sind immer Bestandteil von Kunst.

S.D.: Geht es Dir um Visualisierungen von Unsichtbarem? Es handelt sich bei den technischen Geräten, die Du verwendest, ja weitgehend um unsichtbare Hilfen. Die Verschalungen werden im Baugewerbe entfernt, wenn die Arbeit erledigt ist, gleiches gilt für Verstrebungen, Ummantelungen, etc.

E.B.: Es ist mir bewusst, dass es sich weitgehend um unsichtbare Prozesse handelt, aber es ist nicht wirklich das, was mich beschäftigt. Natürlich gibt es das in einigen Arbeiten, aber nicht als Werkstrategie. Bei den Serien der „unterstützenden Maßnahmen“ oder den „modular structures“, die es seit 1985 gibt und die immer noch gültig sind und je nach Ausstellung immer noch ihren Platz finden – bei diesen Arbeiten war mir wichtig, dass es um ein Equipment geht, dass zur Herstellung einer Sache dient, die uns sehr wesentlich ist, nämlich das Gebäude, die Wohnung, in der man sich bewegt. Das Equipment, das aus den Gebäuden verschwunden ist, kommt nun wieder in sie herein und wird Hauptbestandteil meiner Konstruktionen, aber stets im Dialog mit dem jeweiligen Gebäude.

S.D.: Die Orte, die Du mit den „unterstützenden Maßnahmen“ stützt, bedürfen ja der Hilfe gar nicht, sie stehen auch alleine. Eigentlich sind sie also unsinnig, sie stützen ja nicht wirklich etwas...

E.B.: Sie stützen sich selbst, denn ohne das Gebäude könnten sie nicht stehen. Nur dank der aus dem System zu entwickelten Kraft über Gewinde und teleskopartige Verlängerungen, die dann auf ausreichend Reibung und Druck gebracht werden, halten die Dinge alle miteinander. Würde ich in einem schwächeren Gebäude, z.B. mit einer Holzbauweise, weiter spannen, liesse sich sogar die Decke aus den Angeln heben. Die Werke haben sehr viel mit Gleichgewicht, Druck und Gegendruck zu tun. Die Kraftmomente sind ausgeglichen.

S.D.: Aber dadurch, dass die Gegenstände ihrer ursprünglichen Funktion entledigt sind, kippt das Ganze doch ins Ästhetische?

E.B.: Das wäre nur der Fall, wenn es sich um einen Fake handelte, wenn das Ganze beispielsweise durch Fäden gehalten würde. Aber die Gegenstände bedürfen ja ihrer funktionalen Anwendung, es kommt alles zum Einsatz.

S.D.: Es geht also nicht nur um das dreidimensionale Bild, das entsteht? Sozusagen ein Scully im Raum?

E.B.: Nein, das kann ich so nicht stehen lassen. Klar kann man rohrartige Elemente auch als Linie im Raum verstehen, werden es mehrere, strukturieren sie den leeren Raum, usw. – dann kann man die Analogie vielleicht sehen.
Aber die Funktionalität ist ja nicht völlig obsolet. Es steht direkt die irritierende Frage im Raum, ob etwas nicht in Ordnung ist, weil da etwas gehalten wird. Handelt es sich um eine Baumassnahme, etc. Der Raum wird zwar strukturiert, aber er wird eben auch erweitert, er endet nicht mehr an seiner sichtbaren Grenze Wand, sondern wird Teil eines größeren Systems.

S.D.: Also legst du die Strukturen offen?

E.B.: Ja, später habe ich das mit der Werkgruppe der „bilateralen Beziehungen“ noch deutlicher gemacht. Die Arbeiten sind auf beiden Seiten einer Wand installiert, aber immer nur von einer Seite sichtbar. Das ist ein wichtiges Grundprinzip unserer Realität, sie ist mindestens aus dem zusammengesetzt, was wir sehen und dem, was wir wissen.

S.D.: Ich möchte noch kurz bei den „unterstützenden Maßnahmen“ bleiben. Handelt es sich um Metaphern? Bedürfen die Orte einer symbolischen Stütze?

E.B.: Letzteres ganz klar nicht, es handelt sich um eine generelle Metapher.

S.D.: Eine Metapher wofür?

E.B.: Dafür, dass Dinge in Abhängigkeit sind, dass sie nicht die Autonomie besitzen, die wir ihnen gerne unterstellen.

S.D.: Um diese gegenseitige Abhängigkeit dreht es sich doch auch in den „pneumatic pieces“. Mir kam das immer so vor, als kämpften sie einen tragischen, aussichtslosen Kampf.

E.B.: Wenn du das so sehen möchtest...

S.D.: Worauf ich hinaus will ist, dass du in Interviews oder Texten formulierst, dass es dir nicht um Bedeutung geht, dass du keine Bedeutungsräume schaffen möchtest.

E.B.: Das stimmt, ich will kein Pathos.

S.D.: Aber kommt die Bedeutung nicht durch die Hintertür wieder herein bei den Bildern, die du schafftst.

E.B.: Nein, das ist überhaupt nicht intendiert. Würde mich das interessieren, könnte ich den gewalttätigen oder kämpferischen Aspekt mit diesen Mitteln doch ganz anders und deutlicher inszenieren. Mir geht es mehr um die Potenzialität, die in den Dingen steckt.

S.D.: Das narrative Moment interessiert dich gar nicht daran?

E.B.: Nein, ich möchte keine Geschichten erzählen.

S.D.: Hältst du das generell für verdächtig in der Kunst?

E.B.: Nein, es gibt großartige Künstler, die tolle Geschichten mit ihren Arbeiten erzählen, aber das ist nicht mein Weg.

S.D: Was transportiert Kunst dann?

E.B.: Oje...

S.D.: Woran arbeitest du, ist das ein kunstinterner Diskurs?

E.B.: Ich kann ja gar nicht intern bleiben, denn die Gegenstände besitzen externe Referenzen und sind nicht neutral. Es gibt eine Verankerung in der Welt, aber sie ist nicht narrativ.

S.D.: Aber du spielst doch mit Bedeutungen, die im Raum stehen...

E.B.: Nicht mit Bedeutungen, mit Bindungen, Anbindungen. Bedeutung ist semantisch aufgeladen, bei mir bleibt nur die Bindung, eine offene Bindung ohne Aufladung. Da stehe ich in einer minimalistischen, konstruktiven Tradition. Allerdings gibt es bei mir auch ein expressives Moment im Konstruktiven. Das passiert mir dann einfach, ich nenne es mal diese positive Unentschiedenheit, minimal expressiv zu sein, ohne auf eine narrative Dimension abzuzielen. Natürlich kann sich beim Betrachter durch so eine Art intuitives Einfühlen ein ironisches Lächeln einstellen, dann sollte man auch eine Story dahinter vermuten, aber sie löst sich nicht als solche auf.

S.D.: Vielleicht bin ich zu sehr auf Bedeutung und Narration geeicht. Für mich haben z. B. die Werke „Bypass“, „Offen“ oder „Einleiten“ zwar etwas technisches, aber auch immer etwas organisches, menschliches.

E.B.: Die Titel sind bei mir immer Namen – erst die Arbeit, dann der Titel, insofern liegt die Assoziation nahe. Aber bei „Bypass“ beispielsweise denke ich nicht an den Menschen, obwohl der Begriff aus der Medizin stammt, aber eigentlich heisst Bypass nur, es gibt einen zweiten Weg. Im übrigen sind Technik und Mensch ja keine Gegensätze, die Technik ist vielmehr die Natur des Menschen.

S.D.: Für mich ist allerdings wiederum die inhärente Ästhetisierung spannend.

E.B.: Was ist für dich Ästhetisierung?

S.D.: Die Formsprache einerseits, die erst deutlich wird, indem die Gegenstände im Kunstkontext gezeigt werden. Aber auch das wie der Inszenierung. Was liegt wo, in welcher Darstellungsweise im Raum. Bei dir: wo steht der Gegenstand, wie ist der Schlauch gewickelt, wo verlaufen die Kabel, etc.

E.B.: Gegenfrage: Was ist dann das Gegenteil von Ästhetisierung? Für mich ist dieser Begriff negativ belegt.

S.D.: Oh, ich meinte es hier eher positiv. Also was ist nicht ästhetisiert? Zum Beispiel, wenn die Gegenstände, die du benutzt an ihrem ursprünglichen Gebrauchsort bleiben, selbst, wenn sie dort genauso drapiert liegen, dann sind sie nicht ästhetisiert. Die Ästhetisierung entsteht durch die Kontextverschiebung, aber auch dadurch, als was es präsentiert wird, nämlich als Plastik. Deine Arbeiten wirken ja wie ein Moore oder Deacon des 21. Jahrhunderts, aber eben ohne angehübscht zu sein. Du hättest diese Gegenstände ja auch in Bronze gießen lassen können.

E.B.: Ja, aber dann wäre es Kunstgewerbe.

S.D.: Also ist deine Gegenstands- bzw. Materialsprache ein Versuch, dem Kunstgewerbe, das überall lauert, zu entgehen?

E.B.: Ja, genau. (lacht) Aber auch in meiner Palette kann man kunstgewerblich werden.

S.D.: O.k., hättest du die Sachen schön in ocker angemalt, wäre es schon gefährlich...Die materiale Vermeidungsstrategie gilt doch auch für deine Bilder, die du ja im übrigen nicht Malerei nennst? Was stört dich an dem Begriff Malerei?

E.B.: Malerei bezieht sich lediglich auf eine Technik. Vermeidungsstrategie klingt so defensiv, ich bin eher offensiv, ich möchte ja etwas dazugewinnen.

S.D.: Also geht es um Erweiterung der Palette?

E.B.: Ja, auf jeden Fall. Kunst stellt Konventionen in Frage. Also stelle ich das, was mir Spaß macht – die Kunst selbst – auch in Frage. Im übrigen ist man als Künstler weniger aktiv, als reaktiv – allerdings nicht kunstintern, sondern gesellschaftlich gesehen.

S.D.: Hat Kunst deiner Meinung nach noch einen gesellschaftlichen Auftrag?

E.B.: Nein.

S.D.. Dann ist der Kunst-Polit-Diskurs unsinnig?

E.B.: Nicht unsinnig, bürgerlich!

S.D.: Ich möchte noch auf deine Interventionen im Aussenraum zu sprechen kommen. Auf Teneriffa hast du die Konturen von Bauruinen nachgemalt. Ich verstehe das als eine Art subversive Form der Land Art mit den Mitteln der Malerei.

E.B.: Bei diesem nicht erlaubten, subversiven Tun, diesem Graffitti anderer Art, war mir wichtig, nichts zu proklamieren, sondern ein abseitiges Ambiente, eben diese heruntergekommenen Hinterlassenschaften, zu gestalten.

S.D.: Smithson, Turrel usw. greifen doch auch in die Landschaft ein...

E.B.: Ja, aber ich wollte keine Turell- oder Heizer-Konstrukt als Setzung implementieren.

S.D.: Du klärst nicht die Rechtslage, sondern gehst einfach dorthin und machst das. Das hat ja so etwas punkiges...diese Inbesitznahme.

E.B.: Ja, es hat dieses hybride Moment, dass ich mir selbst erlaube, so etwas zu tun. Aber wenn andere sich erlauben, solche Dinge zu hinterlassen, erlaube ich mir, einen Kommentar dazu zu geben. Die soziale Bindung des Eigentums gilt ja nicht nur für die Seite, die es besitzt, sondern auch für die, die damit umgehen muss. Also habe ich mir das Recht herausgenommen, zu intervenieren. Zudem stütze ich ja den Wert mit dem, was ich tue.

S.D.: Es ist doch eine sehr temporäre Inszenierung...

E.B.: Nicht so temporär wie eine Ausstellung.

S.D.: Das stimmt natürlich, denn viele deiner Werke, besonders die „unterstützenden Maßnahmen“ entstehen speziell für den Ausstellungsort, danach werden sie komplett demontiert und es bleibt kein festes Produkt für das Lager übrig.

E.B.: Es gibt Werke, die eher prototypartig sind, die kann ich fast überall ausführen und es gibt solche, die ganz speziell auf den Ort zugeschnitten sind.

S.D.: Ist dieses Fehlen eines feststehenden Endproduktes eine Verweigerung gegenüber dem Kunstmarkt?

E.B.: Nein, ich tue das wider besseres Wissen trotzdem, weil es mich eben reizt.

S.D.: Lass und nochmal kurz zur Malerei springen. Was ist so schlimm an Öl auf Leinwand?

E.B.: Andere sollen das ruhig tun. Für mich ist das in der Form mit Keilrahmen, Stoff und Farbstoff, der relativ wenig Eigencharakteristik besitzt bzw. nur den aus der Kunsttradition überlieferten, zu konventionalisiert, zu idealisiert und zu sehr in die Richtung gedacht, was man mit diesem Equipment bedeutsames tun könnte.

S.D.: Wenn du Farbe auf Autoglas oder Segeltuch setzt, was unterscheidet das davon? Ist man nicht in diesem Spiel, sobald man mit Farbe agiert?

E.B.: Nein, das hat mit der Farbe als solcher noch nichts zu tun. Außerdem habe ich auf das plastifizierte Segeltuch nicht gemalt, es ist vernäht. Ich mischte auch die Farben nicht, als ich in den achtziger Jahren auf Glas, vor und dahinter, gemalt habe. Das Glas war ein dreidimensionaler gebogener Körper, die Farben waren gewerbliche Lacke mit Hammerschlageffekt. An der Oberfläche zeigt sich diese Struktur und hinter dem Glas kommt nur noch die Farbwirkung zur Geltung. Die Scheiben hängen nicht an der Wand, sie stehen auf dem Boden, sind aber trotzdem Bilder.

S.D.: Kann man so dem Malerei-Diskurs ausweichen, indem man Öl auf Leinwand meidet?

E.B.: Nein, eben gar nicht. Ich weiche nicht aus, sondern steige drauf ein. Die anderen weichen aus.

S.D.: Auf den ersten Blick dachte ich, es gehe darum, sich dem Malerei-Diskurs nicht zu stellen.

E.B.: Nein, nein, ich führe gleichermassen den Bild- und den Malerei-Diskurs, nur viele andere eben nicht, die führen dann eine inhaltlichen Diskurs auf Motivebene, aber sie thematisieren das Gemachtsein nicht und nicht die Frage, was macht Malerei zum Bild.

S.D.: Ist dir die Motivik egal?

E.B.: Nein, auch die ist mir wichtig, indem sie nicht vorhanden ist! In den sogenannten Grundriss-Bildern läßt sich schon dieses Woher ablesen, also bin ich kein Hard-Edge-Maler. Ich stehe ein wenig in Opposition zur Dogmatik des Hard-Edge oder der geometrischen Malerei. Ich komme ja ursprünglich aus der Malerei und habe in Berlin bei Raimund Girke studiert.

S.D.: Warum sind deine Bilder so groß? Ist das um die Farbwirkung zu verstärken oder hat es mit dem Material selbst zu tun?

E.B.: Bei den Planen und Wandbehängen habe ich die Größe explizit in Relation zum Material gewählt, die Bilder sollten schon Planencharakter haben. Alle das Werk bedingenden Mittel sind wichtig.

S.D.: Deshalb hast du auch die Aufhängungen offen gelegt?

E.B.: Ja, genau.

S.D.: In den neusten Bildern, den „analogen Scheiben“ kommen auf einmal Embleme, lesbare Zeichen hinzu. Es gibt Cd-Inlets, die Single-Innenstücke, das Zeichen für Radioaktivität – sie sind zwar nicht pathetisch, aber doch bedeutungsschwanger.

E.B.: Ich habe bei der Entwicklung der „pneumatic pieces“ gemerkt, dass ich in dem Moment, wo ich einen Ausrüstungsgegenstand benutzte, der von seinem Bild her eine Assoziation eröffnet, alle anderen eingebundenen Gegenstände bezogen auf bildexterne Referenz ähnlich stark sein müssen. Nur dann ist das erträglich und in der Balance. Bei den „analogen Scheiben“ ist das an die Wand gebrachte Trampolin von der Struktur her wie ein Keilrahmen, mit dem Vorteil, dass das Spannen sowohl sichtbar ist, als auch das Wie zur Wand durch den Abstand der F üsse. Dennoch kann man sofort sehen, dass es ein Trampolin ist – da muss ich dagegen halten mit leicht assoziativen Formen und mit einer ausdrücklichen, über die Konvention hinausgehende Farbigkeit, um das Gleichgewicht der einzelnen bildtragenden Elemente herzustellen.

S.D.: Du bist Maler, Bildhauer, Fotograf, seit vielen Jahren gibt es Installationen oder Interventionen im öffentlichen Raum. Sind all diese unterschiedlichen Ausdrucksformen gleichwertig?

E.B.: Gleichwertig ja, nur arbeitsökonomisch ist das problematisch, wenn ich mich trippeln könnte, würde ich immer alles gleichzeitig machen.