MEIER, Magazine, April 1998, von ERIK SCHMID

Eberhard Bosslet
Weniger ist anders

Seine künstlerische Karriere begann Eberhard Bosslet mit einem Malereistudium, nutzte aber sein geschultes Auge schon früh für dreidimensionale Kunst. Die „Interventionen“ aus den 80er Jahren, die in Mannheim in 15 Großfotos dokumentiert sind, zeigen, wie Bosslet, der 1953 in Speyer geboren wurde, gearbeitet hat. Er hat Außenräume, Häuser, Geröllhalden, Bunker vor allem farblich verändert: Mit geringem Einsatz sind überraschende, nachdenklich stimmende Ansichten entstanden. Die Interventionen künden von Bosslets Meisterschaft gestalterischer Manipulation. Auch wenn seine Arbeiten charaktervoll sind, gelernt hat der documenta-Teilnehmer und Kunstprofessor von den Land Art-Künstlern und Minimalisten.
Für die Kunsthalle baute Bosslet zwei Architekturen, die von der Grundfläche (sechs mal vier Meter) identisch sind. Einen übermannshohen Raum aus YTONG-Steinen mit zwei Eingängen, durch die Wände sind Eisenanker getrieben, die mit Aluminiumgussplatten und Federn verspannt sind. Dieses Gebäude kann nur verstehen, wer reingeht, rausgeht, umhergeht, wieder reingeht und dabei nicht vergißt, was er gesehen hat. Es zeigt uns grundlegend, wie sehr wir beim Sehen darauf angewiesen sind, uns zu erinnern, weil das Ganze sich oftmals unserem Blick entzieht. Der zweite Bau ist in armiertem Beton gegossen, wobei Betonmauern und unter Augenhöhe gekappte Pfeiler mit überstehenden Eisen ein komplexes Gebilde aus Rastern und Proportionen bilden. Im Gegensatz zum Raum ist das Werk als Ganzes wahrnehmbar, jedoch nicht betretbar, denn der umfassende Blick braucht Distanz. Der Besucher begreift beim Vergleich der beiden Gebäude als Problem, was er üblicherweise hinnimmt: wer drinsteht, muß sich erinnern, worin er steht, weil er es von innen nicht sehen kann; umgekehrt verweigert der alleinige Blick aufs Ganze von außen die Teilnahme am Raum. Bosslet stellt alltägliche Erfahrungen in Frage, indem er sie formal isoliert behandelt. Die Tragweite solchen Tuns ist enorm, weil wir daraus lernen können, daß Illusion nicht nur auf Einbildungskraft beruht. Diese Kunst zeigt, daß Wahrnehmung analytisch und ästhetisch reizvoll zugleich behandelt werden kann. Die subtilen Veränderungen, die an den zunächst einfach wirkenden Projekten vorgenommen werden, lassen den Ist-Zustand dieser Welt als Zufall erscheinen, weil sie uns überzeugend vorführen, daß jede kleinste Veränderung alles vollkommen anders aussehen lassen kann. Dazu und zu Bosslets Gesamtwerk soll an Stelle eines Katalogs eine CD-ROM erscheinen.
ERIK SCHMID

Kunstholle Mannheim, bis 26. April,
Di bis So 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr
Bis 14. Iuni I998 Untergeschoß Neubau, linker Flügel
Eberhard Bosslet FUNDAMENTAL wie BILATERAL

Eberhard Bosslet, 1953 in Speyer geboren, prägt seit Anfang der 80er Jahre mit seinen Eingriffen in den architektonischen Innen- und Außenraum den Begriff der INTERVENTION. Mit der Werkgruppe der UNTERSTÜTZENDEN MASSNAHMEN, konstruktiv-sperrigen Einbauten in Innenräume, gibt er dem Begriff der INSTALLATION eine unverwechselbare Bedeutung. In der Kunsthalle Mannheim baut Bosslet eine zweiteilige Installation in den Raum für die Skulpturenausstellungen. Zusätzlich präsentiert er erstmals schwarzweiße Großfotos der von ihm realisierten INTERVENTIONEN.