D- CM: Übergriffe, Galerie Friebe, Westfälische Rundschau, 5/94

Wandarbeiten unzulänglich in Kategorien einzuteilen
Neue Ausstellung "Übergriffe" in der Galerie Friebe zu sehen

Lüdenscheid. (ub) Eine Wand, die weiß man um sich. Bestandteil unserer Wahrnehmung ist sie kaum, allenfalls als unscheinbarer Hintergrund tritt sie auf für das, was sich auf, zwischen oder hinter Wänden abspielt.
Wände haben zweckdienliche Funktionen. Der Düsseldorfer Künstler Wolfgang Robbe und seine beiden Partner, Eberhard Bosslet und der Japaner Kazuo Katase, sehen das anders. Unter dem Ausstellungstitel "Übergriffe" haben sich die drei in den neu gewandeten Räumen der Galerie Friebe an der Parkstraße zusammengefunden und zeigen dort bis zum 24. Juni Wandarbeiten, die sich nur unzulänglich in herkömmlichen Kategorien als Bild, Skulptur oder Architektur unterbringen lassen, weil sie von allem etwas beinhalten.
Man ist leicht geneigt, den meditativen Bildern des Japaners Kazuo Katase fernöstliche "geistige Energie" zu bescheinigen. In diagonalen Verschiebungen stoßen helle und dunkle Kräfte aufeinander. So oder ähnlich mag das Licht vor der Teilung in Tag und Nacht ausgesehen haben. Es handelt sich hier um Fotografien und nicht, wie es den ersten Anschein hat, um Malerei. Allerdings wurde das Negativ selbst zum "positiven" Bild: Schwarz grollt das Licht aus der Tiefe, die im Negativ "verkehrte" Dunkelheit mutiert zum unergründlich weiten Leuchten. Es gibt keinen Ort und keine auszumachende Quelle für dieses vorzeitliche Licht.
Diese Fotos sind eine Umkehrung unserer kurzen Erfahrung von hell und dunkel, hier und jetzt.
Eberhard Bosslet hat seine Wände handfest in Beschlag genommen. Ein riesiges Bild aus plastifiziertem Segeltuch aus diesem Material werden beispielsweise auch Surfsegel gefertigt - hat er ein Bild nähen lassen; vier verschiedene Stoffmuster wurden zu einem leicht variierten System von ineinandergreifenden Flächen und Streifen vernetzt. Weiß, transparent und pink sind die Farben dieses grob gerasterten Musters, das immer auch den Blick auf die Wand freimacht. Ein anderes System von zyklisch kreisenden Formen und durchsichtiger Farbigkeit entwickelte der 1953 in Speyer geborene Künstler mit den beidseitig durch die Wand befestigten großen Textilspulen.
Zwei mächtige Federn halten die gegeneinander auf die Wand gepreßten Scheiben fest, deren Reliefmuster mit farbigem Gießharz ausgegossen wurde. Nicht von der Hand zu weisen ist dieser Kirchenfenster-Effekt.
Eberhard Bosslet, der auch schon auf der documenta 8 in Kassel technisch umfunktionierte und unfunktionale Installationen ausgestellt hat, pflegt den spielerischen Plan und erweitert das künstlerische Handwerk um zeitgenössisches Material in zweckentfremdeter Verwendung.
Wolfgang Robbe schließlich hat sich die Wand selbst als Gegenstand der Betrachtung ausgewählt. Aus einer Gußform stammen die acht Wandecken, die er in den vier Einzelfarben der Farbskala für den Farbendruck bemalt hat. Schwarz, Cyanblau, Magenta (rot) und yellow sind diese Grundfarben aus denen jedes farbige Druckbild durch Verdichtungen hergestellt wird. Nur um eine Nuance dunkler hat er die jeweils andere Seite der Stoßkante bemalt.
Dieser Effekt ist kaum bewußt wahrnehmbar, bringt der ganzen Serie aber einen eigenartigen, metallischen Glanz. Licht und Schatten sind hier in höchst sensibler Weise handwerklich und künstlich produzierte Effekte. Das ist pardox - bei Lichte betrachtet genau die Technik der alten Meister, die den Faltenwurf der Robe mit Nuancen von Licht und Schatten festhielten. Wenn ein junger Künstler dieses Experiment "auf die Wand" bannt, versteht er etwas von Malerei.
Im Schnelldurchgang ist das freilich nicht zu erledigen.

"Übergriffe", Galerie Friebe, 7. Mai bis 24. Juni, Parkstraße 54.