KUNSTFORUM INTERNATIONAL, Magazine, Bd.128 Okt.-Dez 1994, S.406,
von WOUT NIERHOFF

Eberhard Bosslet
„Öffentliche Ordnung“
Kunstverein Speyer, 3.7. - 30.9.1994

Vor einem Jahr erhielt der in Duisburg und Berlin lebende Bildhauer Eberhard Bosslet den alle drei Jahre vergebenen Purrmann-Preis der Stadt Speyer. Traditionell richtet der Kunstverein der Stadt dem Preisträger eine Ausstellung aus. Entsprechend seiner bisherigen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Institutionen, wählte Bosslet das in Speyer omnipräsente Netz der öffentlichen Verwaltung als Inszenierungsfeld.
In der pfälzischen Domstadt kennt man sich mit der öffentlichen Ordnung ganz gut aus, denn sie beherbergt nicht nur die Grabkronen der Salischen Kaiser, sondern ist auch Sitz einer Verwaltungshochschule. Und diese Hochschule für Führungskräfte ist nicht die einzige Einrichtung, an der es im landläufigen Sinne um öffentliche Ordnung geht: In insgesamt 13 Verwaltungsstellen - von der KFZ Zulassungsstelle bis zur Landesbibliothek - spürte Bosslet mit 22 seiner Assemblagen aus industriellen Fertigteilen oder Mobiliar diesem Speyerischen Genius loci nach.
Die gezeigten Arbeiten, die alle während der letzten sechs Jahre entstanden sind, paraphrasierten auf jeweils eigene Art die funktionale Aufgabenstellung der meisten Institutionen. Einige der Assemblagen aus Reifen und Hockern, Gullideckeln und Autofelgen, Stahlteilen und Schläuchen, Aktenschränken und Holzkisten, Matratzen und Schubladen, werden mit Hilfe von Luftdruck auf Spannung gehalten, andere entfalten eine virtuelle Spannkraft als mechanische „Expander“.
Obwohl Bosslet die gezeigten Arbeiten nicht spezifisch für Speyer realisiert hatte, erschienen sie durch die werkimmanente Präsenz von Druck und Gegendruck wie Zähmungen ungebändigter Energie in jenen Foren, wo banale Ordnungsvorstellungen den Lebensrhythmus diktieren. Spannungsvoll war der so in Gang gesetzte Dialog mit dem Inszenierungskontext aber nicht nur dadurch, daß eine potentielle Aufblähung oder Sprengung des institutionellen Umfelds angedeutet wurde. Subtil führte Bosslet mit seinen Assemblagen „nützlicher“ Dinge die zweckmäßige Bestimmung der verschiedenen Institutionen ad absurdum. Die vermeintliche Funktionalität von Bosslets Gebilden blieb Koketterie und hatte beim zweiten Hinsehen allenfalls im Sinne einer atmosphärischen Patina Bestand. Die Montagen entpuppten sich schnell als unzweckmäßige, ästhetisch motivierte Kompositionen. Nähe und Distanz, Funktion und Unzweckmäßigkeit, Ästhetik und Politik (und Verwaltung als Form ihrer Administration) begegneten sich in Speyer unmittelbar und erfrischend konfliktbereit.