Communale Nr. 44 11/1987, von ANDREAS BEE

Subtile Querschläger

Eberhard Bosslet im Heidelberger Kunstverein

Der Name ist seit der letzten Dokumenta einem größeren Kreis von Interessierten bekannt. Doch darf man an dieser stelle ruhig noch einmal daran erinnern, daß der Entschluß, Arbeiten des 1953 in Speyer geborenen Künstlers auszustellen, lange vor der immer noch so förderlichen Berufung durch das Kasseler Gremium feststand. Zudem wird anders als im Fridericianum, wo Bosslet im hinteren linken Treppenhaus mit seiner zweiteiligen Installation ,,Anmaßend“ in die vorgefundene bauliche Situation eingegriffen hatte, diesmal (von zwei Ausnahmen abgesehen) die Malerei des Künstlers vorgestellt.
Eine Malerei übrigens, die schon im ersten Augenblick der Kontaktaufnahme für sich reklamieren kann, kein Vehikel auf dem Weg zur Skulptur oder gar ein Widerhall derselben zu sein. Doch das ist dann fürs erste auch schon alles, was sie deutlich macht, darüber hinaus stiftet sie vornehmlich Verwirrung und Unruhe und das aus mehreren (guten) Gründen.
So liest sich beispielsweise die Liste der für die Malerei verwendeten Materialien einen Moment lang so, als hätte Bosslet seine guten Beziehungen zu einem Baumarkt ausnutzen müssen: nicht Ölfarben und Leinwand gilt seine Vorliebe, sondern ganz ungewöhnlich Zinkhaftgrund, Bitumen, Klebeband, Lackfarbe und feuerverzinktem Blech. Bei aller Eigenständigkeit, es geht also anscheinend auch in den Bildern um „Bauen“, um tektonisches Verhältnis im Raum, um einfache aber eindringliche Relationen und spannungsreiche Konfrontationen. Ausschließlich feste Bildträger werden als geeignet empfunden, aluminiumbeschichtete Dachpappe beispielsweise, oder Teerpappe, wie sie zur Isolation von Dächern verwendet wird, verbrauchte Plexiglas-Unterlagen eines Passe-par-tout-Zuschneiders, Kunststoffbodenteile, Bleche etc. p. p., kurz alles Dinge, die wohltuend nüchtern daherkommen und sich durch ihre Bindung an nicht-künstlerische Zusammenhänge der gewohnten Kunstatmosphäre entziehen.
Die rahmenlosen, meist zweiteiligen Bilder zeigen sämtlich geometrische Formen. Diese sind durchweg aus dicht aufgetragenen, unspektakulären Industriefarben gebildet. Vielfach fühlt man sich unwillkürlich an grobe Grundrißpläne erinnert. Vage Assoziationsmuster versuchen sich durchzusetzen: Erinnerungen an Labyrinthisches stellen sich ein, an Tarkowskis „Stalker“ und dessen Mystifizierung des Raumes wäre zu denken, vielleicht aber auch einfach an unkonventionelle Ornamentik oder an monumentalisierte Zitate aus einem Schaltplan. Doch wohin auch immer die Gedanken sich bewegen wollen, es bleibt letztlich diese die Malerei charakterisierende Unsicherheit, die den Betrachter davon abhält, das Gesehene der einen oder anderen Deutungsebene zuzuweisen. Nur die Ausrichtung ist offensichtlich.
Durch die Formen und nicht zuletzt auch durch die haptische Qualität der pastos aufgetragenen Malmassen, bleiben - die Aspekte des Räumlichen dominant, weisen die reliefartigen Farbflächen immer wieder auf architektonische Strukturen und die darin enthaltene Dualität eines Innen und Außen. Doch allzu abstrakten Ideen über Fläche und Raum wird gleich wieder der Boden entzogen. Die verwendeten Materialien sperren sich gegen eine rein intellektuelle Rezeption genauso, wie gegen die Versuche des unverbindlichen Flaneurs.
Und darüber bleibt eine Freude, wohltuend ist zu spüren, daß die Malerei Bosslets sobald noch nicht für Schaufensterdekorationen taugt oder als Wohnzimmerschmuck eingesetzt werden kann. Ja, gerade deshalb wirkt sie stimulierend und fördert selbst eingedenk der eigenen Disponiertheit ein leicht anarchisch gefärbtes Grundgefühl. Hier wird sich so mancher Schöngeist die Zähne ausbeißen.
Die Ausstellung wird zu den schlecht besuchten gehören. Doch das spricht in diesem Falle keineswegs gegen sie, ganz im Gegenteil! Wem jede staubfreie Atmosphäre suspekt ist, wem der Inhalt wichtiger ist als die Verpackung, wer das Unfertige dem Abgeschlossenen vorzieht, wer sich ein Gespür für Gegenentwürfe zu einer durch und durch rationalisierten Weit erhalten hat, der wird Gefallen an den Arbeiten Bosslets finden. Im Wust des Ramsches und der Sonderangebote wünscht man sich mehrere dieser subtilen Querschläger, die – wenn auch auf Umwegen schließlich doch ins Schwarze treffen.

Heidelberger Kunstverein, Alte Eppelheimer Straße 38 – 40., Di – So 10 – 13 und 14 – 17 Uhr, Mi bis 20 Uhr. Mo geschlossen. Bis 22. November