Bosslets „Verbau“ im Sprengel Museum, Die Rheinpfalz 16.1.1995

Speyerer Künstler stellt in Hannover aus

Als zweiter Künstler in der Ausstellungsreihe „Interventionen“ präsentiert Eberhard Bosslet vom 31. Januar bis zum 19. März im Sprengel Museum Hannnover unter dem Titel „Verbau“ vier Arbeiten, die - wie dies der Intention dieser Ausstellungsreihe entspricht - auf die Architektur des Hauses eingehen und diese kommentieren. Mit den drei speziell für diesen Anlaß konzipierten Installationen „Sperre I“, „Träger“ und „Hubwerk“ sowie der Bodenplastik „Offen II“, aus dem Jahr 1993, setzt sich Bosslet mit der schwierigen architektonischen Situation des „Museumsplatzes“ auseinander.
Die Reaktion auf architektonische Strukturen und deren Funktion ist für Bosslet kein neues Gebiet. Bereits 1981 gründete er gemeinsam mit BKH Gutmann, Otmar Sattel und W. Rlotz die „Material & Wirkung e.V.“. Seit 1985 beschäftigt er sich mit „Unterstützenden Maßnahmen“ und „Interventionen im Innen- und Außenraum“. In seiner Werkreihe „Unterstützende Maßnahmen“ spannte Bosslet zum Beispiel Stahlrohr-Deckenstützen senkrecht und waagrecht zwischen Decke und Boden. Der dadurch provozierte Widerstreit der physikalischen Kräfte läßt die Materialität erfahrbar werden. Ort dieser Installationen sind häufig Räume mit spezifischen gebäudetypischen Eigenschaften wie Flure, Foyers, Fabriketagen oder wie zum Beispiel 1987 auf der documenta 8, das Treppenhaus des Fridericianum.
Im Sprengel Museum Hannover verändert Bosslet mit den drei auf dem Museumsplatz positionierten Arbeiten den Raum dergestalt, daß. die bisherige Wahrnehmung als auch Nutzung des Raumes nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Die Arbeit „Sperre I“ hat eine Ausdehnung von 4 x 6 Meter und ist circa 50 Zentimeter hoch. Die aus Transportbeton vor Ort hergestellte Arbeit ist unverrückbar auf die architektonischen Dimensionen ausgerichtet und den Weg blockierend eingebracht. Die Installation „Sperre I“ besteht aus vier länglichen, 50 Zentimeter hohen und 50 Zentimeter breiten Betonblöcken, die zu einem großen Rechteck angeordnet und durch gitterartig angebrachte Armierungseisen miteinander „vergossen“ sind. Die Installation umschließt einen Beton-Pfeiler und wird damit nicht nur durch sein offenkundiges Gewicht unverrückbar. Durch den Kontrast zwischen der geglätteten Oberfläche der Säule und der grobverarbeiteten Installation zu ihren Füßen wird sie auf den ursprünglichen Bauzustand zurückgeworfen: Das. eigentlich Abgeschlossene wird erneut in Frage gestellt.
Der aus Betonschalungselementen bestehende „Träger“ wiederum interveniert weit über Kopfhöhe an einer Stelle aus der aus baulichen Notwendigkeiten verschiedene Architekturelemente wie Pfeiler, Säule, Querverbindungen sowie ein gläserner Steg aufeinandertreffen.
Die zweite Installation „Hubwerk“, eine breite Säulenschalung, umschließt eine weitere Säule des Platzes, wird aber von unten durch einen Scherenhubtisch so angehoben, daß sie an die Decke des Raumes stößt. Druck und Gegendruck spannen die Schalung ein und ordnen ihr einen disfunktionalen Platz zwischen „Himmel und Erde“ zu.
Verschiebt die Arbeit „Hubwerk“ optisch die Proportionen des Raumes, so täuscht die vierte Arbeit, die Bodenplastik „Offen II“ eine nicht vorhandene Funktionalität vor und stellt damit ebenfalls die gewohnte Wahrnehmung in Frage. Zwei aufgepumpte Pressluftballons stecken in den Enden eines mit Schlitzen versehenen Kunststoffrohres, das bis zur Hälfte von einem Schlauch umwickelt ist, dessen Enden zu den Ballons führen.
Eberhard Bosslet, 1953 in Speyer geboren, arbeitet mit industriell gefertigten Materialien und Ausrüstungsteilen der Bauindustrie, der Bürowelt als auch anderer Bereiche. Stahlrohr-Deckenstützen, Betonschalungen, Hubkissen und Aktenschränke sind wichtige Bestandteile seiner Skulpturen und Installationen. Die Arbeiten Bosslets beziehen sich meist auf den umgebenden Raum und reagieren auf die Architektur oder auf die Funktion der Gebäude. Die Orte der Installationen sind vielfältig. So „besetzte“ Bosslet 1994 in Speyer das Straßenbauamt, das Amtsgericht, die Stadtwerke sowie zahlreiche weitere öffentliche Gebäude mit seinen Objekten. Auseinandergenommene Karteischränke wurden mit Hilfe von Stahlbändern und kleinen Holzklötzen zu Wand- und Bodenskulpturen neu zusammengesetzt. Sensible Spannungsverhältnisse bestimmen diese auf Druck- und Gegendruck angelegten Arbeiten, die bei der kleinsten Veränderung eines Teiles auseinanderbrechen würden. Präzision, Effektivität und Technik prägen den Umgang mit dem Material.

(red)