Eberhard Bosslet: Okkupanten
Florian Schmid – www.artnet.de/magazine

21. Dezember 2004

Spannstücke, Interventionen, Unterstützende Maßnahmenoder Barrieren betitelt Eberhard Bosslet einige seiner umfangreichen Werkgruppen. Wer dieser Tage den Weg durch die historische Altstadt in Bregenz zum Palais Thurn und Taxis - dem Ausstellungsgebäude des Berufsvereins der Bildenden Künstler Vorarlbergs - findet, wird schnell feststellen, warum. Der in Dresden lebende Künstler befragt in seinen nur vordergründig unartifiziellen Skulpturen und Installationen die Möglichkeiten der Bildhauerei und ihre direkte Beziehung zum Raum. Dabei verwendet er ausschließlich industriell gefertigte Materialien, die aus dem Baugewerbe stammen. Er installiert sie in Relation zur Architektur der Ausstellungsräume und inszeniert ein hintergründiges und vielschichtiges Wechselspiel zwischen auratischem Objekt und funktionaler baulicher Maßnahme.
Einem breiteren Publikum ist Eberhard Bosslet spätestens seit seiner Teilnahme an der documenta 8 bekannt. In Bregenz reiht er sich in eine lange Liste von international bekannten Künstlerinnen und Künstlern ein, die das Palais Thurn und Taxis in Gruppen- oder Einzelausstellungen bespielten. Diese für einen Landeszusammenschluss von Kulturschaffenden ungewöhnliche Öffnung macht die Institution neben dem Kunsthaus Bregenz zu einer der wichtigsten Adressen für zeitgenössische Kunst in der Region Bodensee. Erklärtes Ziel sei es - so Dr. Wilhelm Meusburger, Präsident des Vorstands und Leiter der Institution - ein spannendes Programm zeitgenössischer Kunst zusammenzustellen, das sowohl die regionale wie auch die internationale Kunstszene berücksichtigt.
Für die Erdgeschossräume des Palais Thurn und Taxis konzipierte Bosslet eigens eine Serie von installativen Objekten, die allesamt aus handelsüblichen Deckenstützen und Schalelementen zusammengefügt sind. Sie veranschaulicht grundlegende Prinzipien seiner Arbeit. Neben dem Aspekt der Materialität dekliniert er die unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten seiner Skulpturen im Raum durch und stellt die elementaren inhaltlichen Ansätze vor. Er schafft in Relation zur Situation vor Ort ein spannendes Geflecht von Bezügen zwischen Skulptur, Malerei und Installation.
So verspannen sich direkt am Eingang Stützen mit Hilfe von Schalelementen freistehend zwischen Boden und Decke. Glaubt man zunächst, dass die Konstruktion die Decke vor dem Einstürzen bewahrt, wird schnell klar, dass der Sachverhalt umgekehrt ist. Das abstrakte Gebilde aus Stützen und Blöcken fällt nämlich nur deshalb nicht in sich zusammen, weil es sozusagen in das Gebäude eingespannt ist. Diesen „Scheinsachverhalt“ greift eine weitere Arbeit auf, die sich – vergleichbar zu einem Gemälde - direkt vor der Stirnwand des Raumes präsentiert. Ebenso presst sich eine dritte Konstruktion, auf dem Boden stehend, in einer Richtungsachse zwischen Außen- und Innenwand. In der anderen Richtung nutzt das Geviert die Reibung mit der Wand, um seinen internen Halt aufzubauen. Bosslet formt hier ein raumgreifendes, rechteckiges, zirka ein Meter hohes Gebilde, das einem Tiergatter gleicht. Die Arbeit versperrt den Zugang zum hinteren Bereich der Ausstellungsfläche und formuliert so ihren skulpturalen Anspruch auf Volumen und Raum. Im Treppenhaus präsentieren sich zwei weitere Arbeiten aus der Serie der Unterstützenden Maßnahmen ganz ähnlich.
Im Obergeschoss zeigt Bosslet S/W-Fotografien aus der Werkgruppe der Interventionen. Auf den kanarischen Inseln malte er Mitte der achtziger Jahre die Konturen von Bauruinen nach, was als eine Form der Landart mit den Mitteln der Malerei begriffen werden kann. Bosslet aber kommt es eher darauf an, die ruinösen Hinterlassenschaften wertfrei zu kommentieren und, wie er selbst sagt, „nichts zu proklamieren“. Die Fotografien in Bregenz sind fast ausnahmslos auf so genannten A-Gestellen, wie sie in der Industrie vermutlich als Lagerböcke für Materialplatten dienen, aufgeschichtet und besetzen so auch physisch das Ausstellungsgebäude.
In einem lang gestreckten Gebäudetrakt des Obergeschosses, der sich mit großen Fenstern zum wunderschönen Park des Palais hin öffnet, überrascht eine weitere Bodenskulptur. Sie präsentiert sich, entgegen den anderen Installationen mit ihren rauen Oberflächen und den eingeschriebenen Gebrauchsspuren, fabrikneu in leuchtenden Signalfarben. Damit komplettiert sie Bosslets Repertoire mit einer sehr viel klassischeren Auffassung von Skulptur. Sie konterkariert seine bisherigen Behauptungen und führt gnadenlos die Ästhetik industriell gefertigter Produkte ins Feld, die die Bildhauerei in diesem Fall zum „object of desire“ macht.
Zu guter Letzt zeigt eine Videodokumentation Ausschnitte aus dem Werk Bosslets von 1990-98. Diese bringt dem Besucher die Arbeit des Künstlers museumspädagogisch näher. Dass man sich hier etwas mehr Mühe hätte geben können oder vielleicht sogar ganz darauf hätte verzichten sollen, bleibt ein kleiner und letztlich unbedeutender Wermutstropfen in einer überzeugenden Ausstellung.
Im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Bregenz, bis zum 2. Januar 2005.
www.kuenstlerhaus-bregenz.at