Michael Ummels / Art Hansa Köln / 1996

Sie arbeiten oft an Skulpturen, bei denen Kissen mit Luftdruck aufgeblasen werden. Was hat es damit auf sich?

Es gibt da die Druckluftflasche, die dazugehörigen Steuergeräte und das Gummielement, also das Gummikissen. Es handelt sich dabei um eine Einheit für den Notfall, wie sie zum Beispiel jede Feuerwehr mit sich führt, um eingeklemmte Personen zu befreien. Es ist selbst nur 2,5 cm dick und lässt sich dann über die Luft bis auf 40 cm ausdehnen, so dass man mit anderen Mitteln weiterarbeiten kann. Man kann damit sehr schwere Lasten anheben und den zusätzlichen Vorteil nutzen, dass man das leere Kissen in eine ganz kleine Lücke stecken kann.

Und wie benutzen Sie diese Apparatur?

Ich benutze schon seit vielen Jahren unterschiedliche technische Ausrüstungsgüter, mit denen ich eine gewisse Kraft ausüben kann. So sollen sie die Bestandteile einer Skulptur zusammenhalten. Wenn andere Leute schweißen, leimen oder kleben, benutze ich diese physikalische Apparatur, um damit die Einzelteile der Arbeit entweder zum Raum hinzudrücken, im Falle einer Installation, oder, bei einer Skulptur, etwa mit Seilen auf diese Druck auszuüben, um die Teile miteinander zu verkeilen.

Also wird es dadurch zusammengehalten, dass es auseinander gepresst wird?

Ja, so entsteht ein Gleichgewicht der Kräfte: Wenn ich zu viel Druck ausübe, würden mir die anderen Elemente eventuell zerbrechen. Bei zu wenig Druck ist ja klar, was passieren würde. Das ist eben auch übertragbar auf gesellschaftliche Prozesse. Es gibt immer Kräfte oder Interessen, und sie arbeiten oft nicht mit, sondern gegeneinander. So kann unser ganzes System wie die Skulptur nur dann funktionieren, wenn keiner zu stark ist und tendenziell Ausgewogenheit herrscht.

Etwas womit Sie auch oft arbeiten sind Aktenschränke, deren Schubladen Sie nach außen kehren. Was hat es damit auf sich?

Wie bei den anderen Arbeiten auch bringe ich Einzelgegenstände in eine neue Ordnung. Wenn ich etwa ein Auto auseinander nehme und die Einzelteile nebeneinander lege, ist zwar eine neue Ordnung da, aber es ist alles aus einem System. Bei mir stammen die einzelnen Teile aus verschiedenen Zusammenhängen. Bei den Aktenschränken habe ich einen Gegenstand genommen, der selber dazu da ist, Ordnung zu schaffen, nämlich in Daten und Informationen. So ein Schrank zeigt sicherlich mehr von seinem Wesen, wenn ein bisschen mehr von seinen Innereien gezeigt wird, die im Grunde nie sichtbar sind. So habe ich die Schubladen herausgenommen und in Verbindung mit dem Hauptkörper des Schranks neu geordnet, und das unter Verwendung eines technischen Hilfsmittels, mit dem ich Druck und Reibung erzeuge, um die ganze Sache zusammenzuhalten. In diesem Fall geschah das mit einem Verpackungsstahlband und mit Holzteilen. Bei meinen Arbeiten sind alle verwendeten Mittel sichtbar, und nichts ist nur Mittel zum Zweck. Wenn ein Objekt von etwas gehalten wird, ist das, was es hält, visueller und inhaltlicher Bestandteil der Arbeit, so dass alle Zusammenhänge nachvollziehbar und auch Emotionsträger sind. Unter Emotionsträger verstehe ich die Wirkung der Materialien auf den Zuschauer, Gummi wirkt auf mich nun mal anders als Holz.
Wie haben Sie zu dieser Art von Kunst gefunden?

Das hat sich ergeben. Für Außenstehende sieht das immer aus wie eine große Erfindung. Bei mir wurde es halt jeden Tag ein bisschen mehr, so wie man über zehn Jahre eine Fremdsprache lernt. Zu meiner Kunst habe ich gefunden, als ich Industrieruinen mit weißer Farbe bemalte. Ich ließ dabei die Materialgrenzen, die Bruchkanten und baulichen Besonderheiten mit einem pinselbreiten Farbstrich deutlich werden, wodurch ein Linienkorsett entstand. Ich merkte, dass ich etwas machte, was mit der Stabilität des Gebauten zusammenhing. Ich arbeitete dann auch mit schwarzen Flächen, die wiederum einen Eindruck von Instabilität erzeugten. Dann kam ich dazu, Säulen in Innenräume zu setzen. Das war für mich dann der Einstieg in die Fragestellung, wie Dinge zusammenhalten und wie Dinge in Verbindung stehen.

So verhält es sich doch auch mit Ihren Schlauch- und Rohrenarbeiten?

So wie ein Haus mit den verschiedenen Räumen ein zusammenhängendes System ist, so gibt es darin auch ein System der Strom-, Wasser- oder Heizungsleitungen, ein im physikalischen Sinne miteinander kommunizierendes System. Da gibt es eine Werkgruppe in meiner Malerei, in der ich vereinfachte Röhrensysteme miteinander kombiniert habe. Auf der zweidimensionalen Ebene der Malerei ist das natürlich sehr abstrakt, so dass der Schritt zur Dreidimensionalität nahe lag. Und so bin ich von der Malerei zur Dreidimensionalität dieser Schlaucharbeiten gekommen.

Machen Sie nur Skulpturen, oder arbeiten Sie auch mit anderen Kunstformen?

Meine Arbeit resultiert weniger aus dem Formalen heraus, sondern aus Inhalten. Deshalb bin ich nicht auf ein bestimmtes Medium oder Material oder eine Kunstform festgelegt.

Unsere Ausstellung findet schließlich in einer Schule statt. Welches Verhältnis haben Sie zur Schule?

Überhaupt kein gutes. Ich hatte immer das Gefühl, dass man gar nicht richtig die Verbindung sehen kann, gezeigt bekommt, zwischen dem, wo es herkommt, und dem, wo man es gebrauchen kann. Bei vernetzter, projekt-bezogener Arbeit lernt man viel mehr. Wenn es nach mir ginge, müsste jeder Schule ein kleiner Gewerbehof mit Werkstätten angegliedert sein. Nicht unbedingt, damit da Schüler drin arbeiten, sondern damit man einfach sieht, dass da ein Schreiner arbeitet, der z. B. Tische oder Stühle baut. Man kann dann viel besser erklären, weshalb bestimmte geometrische Kenntnisse notwendig sind, um so einfache Sachen bauen zu können. Dieser Bezug zur Praxis fehlt meiner Meinung nach in den meisten Schulen.