Morgenpost Berlin, April 1980, von PETER HANS GÖPFERT

Kurzweiliger Wellensalat aus dem Heizkörper

Der Zulauf zum „Forum aktueller Kunst“ ist beträchtlich. Vornehmlich junge Leute bevölkern die kleine unkonventionelle Steglitzer Galerie mit Neugier und Interesse. Momentan hat Eberhard Bosslet die Räume um- und eingerichtet: Eine „Einrichtung“ nennt er das blendende, leuchtende, irritierende Environment auch, das man da sehen, dem man beiwohnen kann.
„Sehensucht“ ist der schöne sprechende Titel. „Wahr-nehmen“ nannte sich wortspielerisch, eine frühere Unternehmung Bosslets in Speyer.
Im oberen Galerieraum taucht der Besucher sogleich in regelmäßig wieder aufgehelltes Dunkel. Allein einzelne Konturen, verlegte Leitungen, leuchten phosphoreszierend von Wand und Decke. Der Sicherungskasten hat ein magisches, grünlich bewegtes Double bekommen – ein technisch einfacher Zaubertrick. In der Zimmermitte schließlich sammelt, auf einer Liege installiert, ein Mikrofon die Stimmen der Besucher: Eine Bandschlaufe schickt sie, mit Verzögerung und wenn alles klappt, in unsere Ohrmuschel zurück.
Eine Treppe tiefer, Vorsicht: steile Treppe!, findet man hinter Maschendraht, Vorsicht Hochspannung!, eine Riesenfamilie (denkt man:) ausgedienter Neonröhren und -buchstaben. Mal blinkt das verunsicherte Alphabet aus der Ecke, dann wieder blenden gleich alle Leuchtedinger, die noch können, gemeinsam schlagartig auf. Das ist schön und faszinierend. Wenn man will, kann man sich eine Menge dabei denken.
Wieder treppan, entdeckt man Kopfhörer, die via Drahtvorrichtung einem Heizkörper. höre und staune!, Radio-Wellensalat entlocken. Die Stimme aus dem Ofen – hier hat sie ihr neuzeitliches Pendant. Muß man dafür, fragen wir die rührige „GEZ“, Gebühren zahlen? Für jede Heizung einzeln?
Insgesamt ein überraschend kurzweiliges Ausstellungsensemble. Freilich tut hier mehr der Überraschungseffekt seine unausbleibliche Wirkung. Lichter und Töne haben die Schau-Lustigen immer entzückt. Der formale Anspruch, das tatsächlich Gestalterische tritt eher in den Hintergrund. Selbst das Wort „Erhellung“ hat bei Bosslet eine apostrophierende Bedeutung. Sie kommt- aus der Steckdose. (Saarstr. 7, donnerstags bis sonntags 15 - 19 Uhr, bis zum 11. April.

PHG