DRESDNER NEUSTE NACHRICHTEN, ZEITUNG, 31.3.98, von LISA WERNER

Interventionen und Verbaue
Eberhard Bosslet bringt eine neue Position in die Ateliers an der Pfotenhauer Straße
Noch bis 14. Juni zeigt Eberhard Bosslet in der Kunsthalle Mannheim die Ausstellung „FUNDAMENTAL wie BILATERAL“. In Dresden konnte man bisher nur mal kurz. einige Arbeiten nach der Berufung auf eine Bildhauerprofessur der Hochschule für Bildende Künste (seit 1. März 1997) sehen. Also höchste Zeit, den Künstler in seinem Atelier in der „Pfote“, wie er schon ganz „einheimisch“ das Domizil in der Pfotenhauer Straße nennt, zu besuchen. Die beiden Räume erinnern auf den ersten Blick an ein technisches Büro. Und obwohl Skulptur schon lange nicht mehr auf Stein, Bronze oder Holz fixiert ist, ist man doch für einen Moment erstaunt, wenn Bosslet ein Gebilde, das als Lichtquelle von der Decke hängt, „Skulptur“ nennt. Je mehr man über seine Arbeitsweise erfährt umso selbstverständlicher billigt man diesem Stück aus zwei Geräten, die in der DDR den schönen Namen Polylux hatten, diese Einordnung zu. Denn Bosslet, 1953 in Speyer geboren, benutzt Materialien und Gerätschaften, die in der Industrie, auf dem Bau, im Büro oder Haushalt Verwendung finden, als Ausgangsmaterial für seine Kunst. Künstler hätten immer die neuen Technologien ihrer Zeit benutzt. Und so verwendet er Materialien unserer Zeit - Röhren, pneumatische Pumpen, Tragegurte, Hebezeug, Metallgußteile. Er macht das, wozu er auch seine Studenten befähigen möchte: „Dinge und Gedanken in einen unkollventionellen Zusammenhang bringen und dadurch Bekanntes neu erlebbar machen’’. Dazu gehören zum Beispiel Skulpturen aus Heizkörpern und pneumatischen Kissen („Grundlagen«). „Die Konvention muß immer wieder gebrochen werden“, um letztlich „mehr zu erfahren“, meint er. „Alles ist bedenkbar und alles ist kunstfällig“, sollen auch seine Studenten wissen. Bosslet - farbige Folienbilder an der Wand im Atelier erinnern daran - kommt von der „Flachware«. Von 1975 his 1982 hat er an der Hochschule der Künste Berlin Malerei studiert, war Meisterschüler bei Raimund Girke, wo er schon mit raumbezogenen Arbeiten Elektroinstallationen und Installationen mit bemaltem Bruchglas, Fahrbahnmarkierungen und Absperrungen hervortrat. Ab Beginn der 80er hat er dann auf Teneriffa alte Industrie- und Wohnbauten mit konstruktiv-geometrischen „Interventionen“ bemalt. Davon existieren heute noch große Fotografien, die in Mannheim mit gezeigt werden. Andere Bildwerke sind von den Versorgungssystemen in Gebäuden inspiriert, ähnlich wie viele Skulpturen. seit Ende der 80er. Seit Mitte der 90er entstehen „Bilaterale Beziehungen« - beidseitig einer Wand montierte, durch diese hindurch verbundene Objekte - und „Barrieren“ aus Beton, die die gewohnten Wege sperren. Fragt man nach Impulsen, die für Eberhard Bosslet wichtig wurden, nennt er Minimal Art und Arte Povera, hebt aber auch seine Vorliebe fur die Konkreten hervor, ohne „selbst einer zu sein“. Er verstehe sich eigentlich als „gegenständlicher Künstler“. Schließlich arbeite er mit Gegenständen, imitiere sie nicht, stelle den Bezug zur produktiven Welt des Menschen her. Für die Dresdner Hochschule bedeutet Bosslets eigenständige Kunst eine neue Farbe. Er selbst sieht seine Berufung als Ausdruck des Bedarfs für sein Position. Dresden ist für ihn und seine Familie - zugleich eine Entdeckungsreise in einem ziemlich unbekanntes Terrairn die er bis jetzt nicht bereut Nicht zuletzt fühlt er sich wohl weil er glaubt, Wichtiges weitergeben zu können. Das betrifft nicht nur das Künstlerische. Besser als andere - man braucht nur einen Blick auf die beachtenswerte international. Ausstellungsliste zu werfen kann und will er vermitteln was zur erfolgreichen Präsentation von Kunst gehört. Nicht zuletzt darauf geht der Experimentalraum“ zurück, für der er sich stark gemacht hat. Hier können sich Studenten ausprobieren und der Öffentlichkeit vorstellen. Für Bosslet ist es selbstverständlich, daß Kunst auch von Studenten, gezeigt werden muß. Und das „Büro“ ein Ort, wo neben Computer und Kunstzeitschriften Nachschlagewerke anderer Wissenschaften zu finden sind, dient der notwendigen künstlerischen Denkarbeit. Für ihn bedeutet Kunststudium mehr als die „Tippeltappeltour« der Aneignung handwerklicher Fähigkeiten. Da diskutiert er schon auch einmal über heilige Kühe“ und fragt: „Warum ist Modellzeichnen immer noch Aktzeichnen?“ Was nicht dahingehend mißzuverstehen ist, daß er es abschaffen will. Aber: „Ein Gegenstand ist auch eine Figur“, gibt er zu bedenken und will damit sagen: „Fertigkeiten können an vielen Dingen geübt werden.“ Deshalb können sich bei ihm auch nicht nur die 12 Studenten seiner Klasse im Kurs „Material & Wirkung/Experimentelle Raumkonzepte“ ausprobieren.
Lisa Werner