INSZENIERTE FOTOGRAFIE, Pfalzgalerie Kaiserslautern 1985, Katalog, von Gisela Fiedler-Bender

Inszenieren bedeutet eine Szene aufbauen, einzelne Teile, Versatzstücke, Gegenstände des Seins - im Theater auch Menschen - zu einer neuen Realität, zu einem Bild, zu einem Handlungsablauf zusammenzustellen. Inszenieren kann man mit gefundenen Objekten, mit "objets trouves", mit vorgefertigten Dingen im Sinne von Duchamps "Ready mades" oder mit Figuren, die man zum Zweck der Inszenierung bereits verkleidet oder verfremdet hat. Wie die Darsteller auf der Bühne mit fremden Texten, fremden Persönlichkeitsmerkmalen, Kleidern und Schminke zu neuen Menschen, zu Kunstfiguren werden, die anderen als ihren eigenen Gesetzen gehorchen, werden auch die Versatzstücke "inszenierter Bilder" ihrer Identität beraubt, um neue Zusammenhänge sichtbar zu machen, die jenseits normaler, d. h. alltäglicher Sinnerfahrung angesiedelt sind. Gerade Künstler, sowohl Schriftsteller als auch Maler benutzen dieses Mittel der Verfremdung, um die allzuleicht und schnell rezipierte Oberfläche der uns umgebenden Dingwelt aufzubrechen und unsere Seinserfahrung in Frage zu stellen.
Wenn Eberhard Bosslet "inszeniert", benutzt er mehrere Mittel der visuellen Verfremdung: die bewußte, bildmäßige Zusammenstellung verschiedener Objekte zu einer Komposition, die Bemalung der einzelnen Teile, Flächen, Objekte entgegen ihrer ursprünglichen Farbgebung, die Anbringung einer Schrift und die Fotografie. Die Kombination verschiedener Gegenstände, Fenster, Tisch, Stuhl, Baum, Mensch etc. nebeneinandergereiht zu einem breiten Bildband, getrennt durch große, ruhige Farbflächen wirkt streng, formal ausgewogen und, wenn auch nicht streng symmetrisch, doch in zwei gleichgewichtige Hälften gegliedert. Die Farbe setzt Bosslet in großen Feldern nebeneinander, leuchtende starke Farben, die die Unterschiede zwischen den einzelnen Elementen der Komposition betonen und Kontraste setzen. In sich sind die Farbfelder in vielen Schichten locker gemalt, so daß die einzelnen Pinselstriche sichtbar stehen bleiben und die Farben vibrieren. Die Schrift, die wir unserer Sehgewohnheit folgend sofort lesen, weil wir in ihr einen Hinweis zur Entschlüsselung der Darstellung erwarten, führt uns zunächst in eine Sackgasse, denn die Aussage, so einfach und lapidar sie klingt, läßt sich nicht ohne weiteres in Zusammenhang mit dem Dargestellten bringen. Hier wird der Betrachter aufgefordert, in Verbindung mit den optischen Eindrücken, selbst zu einer Deutung der Zusammenhänge zu kommen oder einfach seine Assoziation mit dem Bild und der Schrift zu einer Einheit werden zu lassen.
Diese dreidimensionale Bildsituation, einem Stilleben vergleichbar, ursprünglich aus realen Gegenständen zusammengestellt, wird in der Fotografie zu einem zweidimensionalen Bild reduziert, dem Endergebnis eitler vierfachen Umsetzung der Ausgangssituation.
Was Eberhard Bosslet mit diesen Bildern aussagen will und was der Betrachter von dieser Aussage versteht, wird möglicherweise verschieden sein, aber niemand, der fähig ist, optische Eindrücke aufzunehmen und darüber nachzudenken, wird sich diesem Wechselspiel aufeinanderbezogener Realitätsebenen entziehen können und wird versuchen, die Inszenierung des Künstlers zu durchschauen.

Gisela Fiedler-Bender