Tagespost, und Mannheimer Morgen 4.3.1998, von CHRISTEL HEYBROCK

Im Spannungsfeld des Monumentalen
Eberhard Bosslet stellt Installationen und Fotografien in Mannheimer Kunsthalle aus

Leute, die es kuschelig mögen, sind womöglich entsetzt. Was werden in der Mannheimer Kunsthalle aber auch für Sachen gezeigt! Zwei gräßlich kahle, kalte, abweisende Installationen von diesem Eberhard Bosslet. Beton! Armiereisen! Ytong-Bausteine! Als gäbe es solche Häßlichkeiten nicht schon genug auf der Welt...
Da hilft nur eines - hinschauen, hingehen, ausprobieren, wie man selber mit „Monocell“ und „Universal“ umgehen kann. So heißen die beiden Installationen des 1953 in Speyer geborenen „Bildhauers“, der sich konsequent weigert, eine idyllische Gegenwelt zu erfinden zu dieser einen, an deren Häßlichkeit wir ja alle mitarbeiten. Und seltsamerweise lassen sich „Monocell“ und „Universal“ nach einer Weile tatsächlich verborgene Freundlichkeiten entlocken, die es „draußen“ in der rauhen Wirklichkeit so nicht gäbe.
Beispielsweise die Freundlichkeit der Proportionen. Jede Kunst beginnt mit dem Maß, und da ist Bosslet ein Meister. „Monocell“ und „Universal“, das zunächst unzugänglich scheinende Gebäude aus weißen Ytong-Steinen, hat nämlich den gleichen Grundriß wie das „Universal“-Gebilde, das viel kleiner wirkt und eigentlich nur ein großer Rost aus Armiereisenstäben mit Betonmauer drumherum zu sein scheint. Beiden Werken liegen die Kantenlängen 4 mal 6 Meter zugrunde - ein Raum von 24 Quadratmetern ist gerade richtig für das menschliche Wohlbefinden. Man fühlt sich nicht beengt, man verliert aber auch nicht den Überblick.
Künstlerisches Spannungsfeld
Daß trotz ihrer gleichen Maße die beiden Installationen, die in der Kunsthalle direkt nebeneinander liegen, so gegensätzlich wirken, ist Teil eines künstlerischen Spannungsfeldes, das immer weitere Aspekte erkennen läßt. „Monocell“ ist ein „fertiger“ geschlossener Bau. „Universal“ dagegen mit seinen unvollendeten, nur bis zu 1,50 Meter hohen Beton-Eckpfeilern sieht aus wie gerade angefangen. Was hatte daraus werden sollen? Wozu hätte der Gitterrost aus Eisenstäben dienen sollen?
Dem Kontrast zwischen hohem, geschlossenem Körper und flachem, offenem Rost, durch den man den Boden sieht, könnte größer nicht sein. Das Offene aber, das sich ungehindert dem Blick darbietet, ist nicht betretbar, während man in „Monocell“ von beiden Seiten hineingehen kann. Würde man im Eisenrost von „Universal“ beim Betreten gefährlich hängenbleiben, so erweist sich „Monocell“ als inspirierend. Man wird dort innen geradezu von Energien überflutet. Noch der unsensibelste Besucher dürfte mindestens mit feinem Knistern im Kopf wieder herauskommen.
Das liegt daran, daß Bosslet jeweils zwei große, mit Metallfedern und Ankerstäben besetzte Gußscheiben (aus der Webindustrie) außen und innen an „Monocells“ Wänden anbrachte. Die rätselhaften Kraftreliefs sehen aus, als sammelten sie kosmische Energien und transportierten sie nach innen. Da steht man dann, von unsichtbaren Energiefeldern förmlich umzingelt und rechnet damit, daß es im nächsten Augenblick zuckt, zischt und blitzt und daß man von Laser- oder anderen Strahlen durchsiebt wird.
Zur Beruhigung seien zum Schluß Bosslets Fotografien empfohlen. Er nahm sich vornehmlich südliche Landschaften vor und bemalte dort in gnadenloser Akzentuierung Bauruinen oder zog dicke weiße Konturen um Schutthaufen herum. Die Kanareninsel El Hierro etwa sieht nach dieser Kenntlichmachung nicht mehr aus wie im Reiseprospekt. Sie wurde rauher, wirklicher, spannungsreicher. Das Knistern fängt wieder an, wem man länger hinsieht. Christel Heybrock