EBERHARD BOSSLET, Beschränkter Realisierungswettbewerb zur künstlerischen Gestaltung des Landtagsvorplatz, 1999

Entwurfserläuterung
Konzept für eine Arbeit aus Straßenleuchten die in dynamischer Zuordnung miteinander ein skulpturales Ensemble ergeben.

Seit vielen Jahren verwende ich in meinen Arbeiten ausschließlich Produkte und Technologien aus der industriellen, gewerblichen und damit gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Die benutzten Teile und Gegenstände sind immer wesentlicher, sichtbarer und funktionsästhetischer Bestandteil meiner Werke. Es sind zumeist unedle, gewöhnlichen Werkstoffe, die in meinen Objekten zu ungewöhnlichen Konstellationen zusammengebracht werden und ihre innovative Kraft aus der metaphorischen Berücksichtigung grundlegender Phänomene schöpft.
Klassisch anmutende Mittel werden somit auf eine zeitimmanente Ebene gebracht.

Inhaltlich:
Die von mir für den Vorplatz des Sächsischen Landtags in Dresden konzipierte
Arbeit besteht aus unterschiedlichen Leuchten des öffentlichen Raums, die in einer Gruppe zugeordnet dynamisch miteinander wirken.

Es finden Leuchten aus der Produktion der DDR von 1946-1989 und Leuchten neuerer Produktion aus Sachsen, nationaler und Internationaler Herkunft Verwendung. Über die bekannte Materialität, Form und Gestalt der eingesetzten Leuchten läßt sich deren Herstellungszeit ablesen.
Unsere jüngere Geschichte und deren Wandel wird somit erkennbar.

Der Zeitgeschmack unterschiedlicher Schichten der Bevölkerung hat sich in den Formen, dem Design der öffentlichen Beleuchtungskörper niedergeschlagen und repräsentiert unser Selbstverständnis.
Individualität des Einzelnen, von Kommunen und Stadtteilen wird im Alltag durch die Wahl der Beleuchtung konserviert und steht für die unterschiedlichen Identitäten der Bewohner vielfach differenzierter urbaner Quartiere im Lande.

Funktionale Aspekte urbaner Infrastruktur werden durch die Leuchtentypen repräsentiert. Leuchten für Plätze, Durchgangsstraßen, Seitenstraßen, Fußgängerzonen, Gehwege und Parkanlagen werden in der Komposition der Skulptur zur Metapher für unterschiedliche demographische Gegebenheiten im Staat.

Die vorgeschlagene Skulptur steht im öffentlichen Raum und repräsentiert ihn zugleich mittels der dem öffentlichen Raum entliehenen Elemente.
Der öffentliche Raum steht für den gesellschaftlichen Menschen und den demokratischen Raum des Bürgers.
Die Skulptur transportiert das historische Wissen, daß auf der „Straße“ Politik gemacht und Geschichte geschrieben wurde und der erhellte öffentliche Raum urbane Kultur ermöglicht.
Der erhellte öffentliche Raum ermöglicht öffentliche Ordnung, er steht in der Skulptur für demokratische Transparenz und Sicherheit.

Durch die Komposition, d.h. durch die unterschiedlichen Neigungswinkel der Leuchten und deren ungewöhnlichen Verdichtung an einem Ort wird die überall
sonst erfahrene konventionelle Ordnung spontan offenkundig.
Der Landtag als wichtigstes demokratisches Forum und als gesetzgebender Ordnungstifter, dessen Aufgabe es ist, immer wieder aufs neue, vitale Impulse und Veränderungen des gesellschaftlichen Wandels in ein Regelwerk zu setzen, steht zu dieser dynamischen Ordnung der Skulptur im Dialog.

Sachlich-technische Angaben:
Die in der Skulptur eingesetzten Leuchten werden mit Energiesparlampen bestückt (siehe Anlage). Daher wird die Summe des Kilowattstundenverbrauchs aller Lampen zusammen nur ca. 800 Watt/h betragen.
Damit liegt der Energieverbrauch unter dem Verbrauch der Beleuchtung einer konventionellen Skulptur mittels Strahler.
Zwischen dem Freistaat Sachsen und dem Amt für Stadtbeleuchtung der Stadt Dresden besteht ein Servicevertrag für alle Leuchten auf staatlichem Grund und Boden. Die Betreuung der Skulptur könnte in diesen bestehenden Vertrag integriert werden.

Die Skulptur hat die Maximalmaße in der Höhe von 13 m und ereignet sich innerhalb einer Fläche von 8x8m, bei gleichzeitig durch die Struktur bedingter großer Transparenz in alle Richtungen. Graffiti sind nicht möglich bzw. wegen geringer Flächen unbedeutend klein und wären nicht weiter störend.

Der Standort der Skulptur:
Ich habe eine Stelle im vorderen Rasenstück des Landtagsvorplatzes gewählt, um ein möglichst breites Erfahrungsspektrum und vielgesichtige Bezugnahme zum Ort zu ermöglichen.
Die gewählte Stelle bietet sowohl den fußläufigen Passanten als auch den Vorbeifahrenden bei Tag und bei Nacht eine beiläufige Situation der Nähe und Wirkung aus der Ferne.

Über die weitsichtigen Blickachsen elbaufwärts in Richtung auf den Theaterplatz, elbabwärts in Richtung zum Landtag bzw. Kongreßzentrum und dem Blick vom Zwingerteich her erschließt sich die Wirkung der Skulptur über die Relation zum Landtagsgebäude Alt- und Neubau, den Bäumen, den Austrittsbauwerken der Tiefgarage und der sonstigen Umgebung.
Entgegen konventionellen Skulpturen muß diese Arbeit nicht angestrahlt oder beleuchtet werden. Sie entfaltet ihre Nachtwirkung als Teil ihrer eigenen Konzeption und vereint sich mit den Lichtwirkungen des Umfeldes.

Das Werk hat vorerst keinen Titel. Es ist daran gedacht einen der in der öffentlichen Diskussion um das Werk gefallene Bezeichnung, zu einem späteren Zeitpunkt als Titel festzuhalten.

Die Fertigstellung bis April/Mai 2000 ist bei Vertragsbeginn ab Oktober 1999 machbar.