INSZENIERTE FOTOGRAFIE, Pfalzgalerie Kaiserslautern, 1985, Katalog, von BERNHARD KERBER

Eberhard Bosslets großformatige Farbfotoarbeiten enthalten eine Reihe verschiedener Realitätsebenen. Bosslet bemalte in einem Raum zwei Fensterachsen und zugehörige Wandteile mit einer lockeren, gestischen Malerei und ebnete optisch die Differenz von Transparent (Glas) und Opak (Mauer) ebenso ein, wie das gestufte Wandrelief. Gegenstände (Koffer, kleiner Hocker etc.), die er davor stellte, hat er farbig so behandelt, daß sie rein flächig als kompositorischer Wert sprechen. Er selbst tritt als Rückenfigur im schwarzen Anzug - als gewissermaßen entpersönlichtes Ding im Kontext auf, wird nur noch als Fläche erfahren. In horizontal geteilten Diptychen oder Triptychen ordnet er diesen fotografischen Interieurs ebenfalls fotografierte monochrom Farbflächen in kontrastierenden Tönen zu.
Bosslet blendet Texte ein, scheinbare Wörtlichkeiten "Zimmermann auf Ruhestand" - durchleuchtet die Sprachklischees der Textteile. Begriffe werden auf ihre ursprüngliche Bedeutung zurückgeführt. Die Entwirklichung der Gegenstände kehrt sich um zur Verwirklichung der Sprache. Doch gibt es auch andere Ver-
fahren: Evokation der Abwesenden - "Rock 19 Bluse 25" -, "Selbst- und Fremdironie" - "Stützpunkt Immendorf" -, "Abbruch des eigenen Anspruchs" - "Heimvorteil" - usw. Im Maße ihrer Vergegenständlichung führt die Sprache weg von den Bildgegenständen und vom Bild als Gegenstand. Die Realitätsebenen verhalten sich kaustisch zueinander Im Verwenden unterschiedlicher Wirklichkeiten befreit Bosslet Gegenstand, Bild, Foto und Sprache in einem multifokalen Bezugssystem aus der Determination von Sehweisen, die entweder einseitig auf ihre pragmatische Funktion oder andererseits auf die jeweilige formale Konkretion des Mediums bezogen sind. Bosslet sprengt die bipolare "Alternation von funktionsindifferenter Strukturerfassung und strukturindifferenter Funktionserfassung" (Imdahl), die Kandinsky in der Differenz des Großen Realen und des Großen Abstrakten als die prinzipielle Dialektik der Moderne verstanden hatte.
Bosslet entzieht dem Betrachter die vordergründigen und voreilig kategorisierender Gewißheiten sinnlicher Erkenntnis ebenso wie die des begrifflichen Denkens. Er läßt das Bild aus traditionellen Fesseln und legt den Weg für neue Zugänge frei.

Bernhard Kerber