MYSTERIUM WEIN, Historisches Museum der Pfalz, Speyer 1996, Katalog S. 306/307,
von Wolfgang Leitmeyer

Gärturm-Rotationsreaktor: Bosslet, Sattel,Klotz

Das Turmprojekt ist aus der Zusammenarbeit von Eberhard Bosslet, Werner Klotz und Otmar Sattel entstanden. Aus unterschiedlicher Perspektive haben die Künstler die Erkundung von Wahrnehmungsprozessen in das Zentrum der Arbeit gerückt. Aus dem Fundus überall gegenwärtiger Technik lassen sie Dinge entstehen, die nicht dem gewohnten Sinnzusammen­hang entsprechen. Die formale Nähe ihrer Arbeiten zu Industrieprodukten, zu wissen­schaftlich-technischen Verfahren und Apparaten setzt einen Denkprozeß in Gang, bei dem das „Kunstding“ mit der Wirklichkeit verglichen wird. Irritation und Ironie sind der gemeinsame Ausgangspunkt ihrer Arbeiten.

Bosslets Turmbau ist Handlungsraum und Schauplatz der Arbeiten von Sattel und Klotz. Er benutzt für seine Arbeit ein Beton-Schalungssystem, welches üblicherweise im Hochbau verwendet wird. Das System besteht aus normierten Bauteilen - Trägern, Gelenkriegeln, Gerüstböcken und Schalplatten -, aus welchen Bosslet die traditionelle Form eines Turms entwickelt. Es entsteht ein eigenartiges fremd-vertrautes Objekt im öffentlichen Raum, welches unvermittelt zum Innehalten zwingt.

Otmar Sattel verwendet den Turmbau als Gefäß einer biochemischen Reaktion. In mehreren Metallfässern an der Außenseite des Turms wurde ein Gärungsprozeß in Gang gesetzt. Wie bei der Weingärung steigt aus der Flüssigkeit flüchtiges Gas auf, welches sich in einem großen Latexballon im Inneren des Turms sammelt. Dieser dehnt sich zunehmend aus, bis er das Obere der Turmröhre wie ein Pfropfen verschließt.

In einer Fensteröffnung des Turms wird die massive Plexiglasbox von Klotz installiert. Darin befindet sich ein Wahrnehmungsinstrument, welches über Mikrowellensensoren die Bewegungen des Betrachters registriert. So wird ein Aufrichten der Spiegel erreicht, die zu rotieren beginnen und die Selbstwahrnehmung der Betrachter beeinflussen. W L