Heilbronner Stimme, 10.10.1995, von ANDREAS SOMMER

Drang zur Baustelle

Eberhard Bosslet im Kunstverein Heilbronn

Eberhard Bosslet ist ein Künstler, der industriell vorgefertigte Materialien aus der Arbeitswelt verwendet und mit seinen Plastiken und Konstruktionen in vorgegebene Architekturen oder den öffentlichen Raum eingreift. Bestes Beispiel: „Bosslets Turmbau für Heilbronn“, eine Großskulptur im Stadtgarten vor dem Eingang zum Kunstverein. Zehn Meter hoch und mit einem Durchmesser von 3,50 Metern bereichert er mit seinen gelben und roten Rundschalungs-Elementen, wie sie auf Baustellen Verwendung finden, das Heilbronner Stadtbild.
Was auch nicht sonderlich schwer ist. Der 19S3 in Speyer geborene documenta-Teilnehmer läßt das Baumaterial in neuem Zusammenhang, in neuem Licht erscheinen: als ungewohnte, deshalb aufsehenerregende, begehbare Plastik, die mit den Begriffen Volumen und Raum, Außen und Innen spielt. Bosslet montiert verschiedene Teile zu einem neuen Ganzen: gezielt, durchdacht, ohne Emotion. Ob das Faß im Inneren des Turms vielleicht als Reminiszenz an die Provinz gemeint ist? Aber vielleicht ist es ja nur wieder ein Hinweis darauf, Kunst und Leben nicht zu trennen und eine Erinnerung daran, daß Banalitäten unser Leben weitgehend bestimmen, und damit auch die Kunst.
Bosslet arbeitet mit Materialien seiner Zeit. Das zeigt sich auch in den großformatigen Wandbehängen (1989-1995) und Schürzen aus plastifizierten Segeltuchflächen in der Kunsthalle. Sie sind als Malerei in einem weiteren Sinn zu verstehen. Ausgeschnittene Flächen lassen konstruktive Zeichnungen entstehen, die Begriffe wie Labyrinth oder Schaltplan assoziieren: Bild und Material sind ein und dasselbe, die Wand wird zum Bildgrund.
Sind die rot-schwarzen Behänge noch stark gegliedert, werden die schwarzen immer reduzierter. Die Schürzen schließlich gewähren keine Durchblicke mehr und haben fast Objektcharakter. Auch die Wandbehänge und Schürzen wirken klar und konsequent, nie sinnlich oder spannend. Aber in ihrem seriellen Charakter haben sie viel mit unserer Wirklichkeit gemein. Für das nachdenken darüber ist der Titel der Ausstellung „Planen“, ein schönes Motto.
Eberhard Bosslet: „Planen“. Kunstverein Heilbronn, Kunsthalle Harmonie, dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr. Bis 22. Oktober. Am Mittwoch, 18. Oktober, findet um 17.30 Uhr eine Führung statt.