Susanne Kaeppele, Mannheimer Morgen, 23.10.02

Die Überlistung, der Schwerkraft

AUSSTELLUNG: "Basics" von Eberhard Bosslet in Viernheim
Von unserer Mitarbeiterin Susanne Kaeppele
Im Gewölbe des Viernheimer Kunstvereins gibt es derzeit wirklich Ungewöhnliches zu sehen: Vier Kühlschränke sind mit grünen Tragegurten viel zu hoch an einen das Gewölbe tragenden Pfeiler geschnallt. An einer anderen achteckigen Stütze sind zwei rote Teppichbodenrollen mit Hilfe eines Luftkissens angebracht. Auf dem nötigen Gurt liegt eine solche Spannung, dass ein kleines Stück des Pfeilers ausgebrochen ist.
Warum hängen Kühlschränke an einem Träger und warum liegen die Teppichrollen nicht am Boden, wo sie hingehören? Eberhard Bosslet, Teilnehmer der documenta 8 und Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, wurde bekannt durch seine "Interventionen" im öffentlichen Raum. Hier in Viernheim arbeitet er hauptsächlich mit außerkünstlerischem, vorhandenem Material, das er durch eine Neuinstallation in einen völlig anderen Zusammenhang bringt, damit umwertet und somit zur Kunst macht. Diese ist dann, wie er sagt, nicht durch "Schwelgen" erfahrbar, sondern ausschließlich durch Analysieren und Verstehen.
Bosslet macht in dieser Installation, die er eigens für den Gewölbekeller des Kunstvereins konzipierte, Druck und Zug in einem Maße sichtbar, dass man eigentlich Physiklehrer mit ihren Schülern. hierher schicken müsste. Die Ausstellung heißt " Basics", weil es sich um Grundstoffe der heutigen Existenz handelt: Jeder braucht einen Kühlschrank, nicht ganz so dringlich benötigt wird der Teppichboden. Die Gegenstände zum Befestigen entstammen Handwerk, Industrie und der Rettungstechnik: Das mit Preßluft aufgeblasene Kissen findet sonst bei der Rettung von eingeschlossenen Unfallopfern Verwendung.
Obgleich Bosslet hauptsächlich auf rationale Erkenntnis baut, kann er doch nicht verhindern, dass der Betrachter ästhetischen Genuß an der Wahl der Farben (grün und orange die Zugbänder, weinrot der Teppichboden) und des stimmigen Arrangements findet. Gleichermaßen emotional ist die Verblüffung angesichts der Bändigung der Schwerkraft und der nicht sichtbaren Kraft, mit der die Gurte zugezogen worden sein müssen. Aber gerade die Balance zwischen Intellekt und Emotion, die hier waltet, machen diese Werke zu einem ganz erstaunlichen Erlebnis.

Kunstverein Viernheim (Hügelstr. 24); bis 2. November, Di, Do, Fr 15‑18.30 Uhr, Sa 10‑13 Uhr. Künstlergespräch bei der Finissage, 2. November, 19 Uhr.