BOSSLET, NATIONALGALERIE BERLIN, 1989, Katalog, von Britta Schmitz

Die Arbeiten von Eberhard Bosslet haben immer etwas mit Gebäuden, Bauen und Architektur zu tun. Seien es die Bilder, die Objekte, Rauminstallationen oder die Arbeiten im Außenraum. Die Ortsverweise, Situationserfahrungen und Ortsbestimmungen beziehen sich auf konkrete Räume, d. h. die Orientierung erfolgt an dem Medium, das die Dichotomie von Form und Raum schon per definitionem zu überwinden hat.
Der Ort der Auseinandersetzung ist vorbestimmt durch den Architekten. Als Ergebnis dieser Auseinandersetzung mit der Situation durch Eingriff und Zugriff entstehen die großen Arbeiten. Für den Moment fixiert, auseinanderlegbar nach dem Baukastensystem.
Die Materialien, aus denen die Arbeiten entstehen, gehören zu den Alltagsgegenständen der Bauindustrie und des Büroalltags. Die Stahlrohre, Schaltafeln, Aktenschränke oder Schreibtische sind unbearbeitet belassen, industrielle Produkte nach Material, Zuschnitt und Aussehen. In ihrer Aufstellung erscheinen sie wie technisches Gerät. Normalerweise würde man sie auch in diese Richtung hin, als Hinweis auf eine bestimmte Arbeitssituation zu verstehen suchen, d. h. zweckgebunden, z. B. als Signalwert für eine Baustelle.
Bei dem Werkkomplex der Unterstützenden Maßnahmen spannen sich zwischen Decke und Boden, oder von Wand zu Wand Stahlrohr-Deckenstützen, Gasbetonsteine und Verschaltafeln. Also bautechnisches Gerät, das sich erst einmal innerhalb der Ausstellung integriert und sich unmittelbar als Fremdkörper zu erkennen gibt. Die große Installation Support in Toronto 1988 oder die Maßnahme in Prato im gleichen Jahr, machten den, jeweiligen Raum wieder zur Baustelle'. indem Bosslet in das vorgegebene architektonische Ensemble eingriff, im baulichen Areal der Galerie/ Museum etwas Neues errichtete, griff er die Bauarbeiten wieder auf. Deshalb ist es logisch und konsequent, daß sich wie auf einer Rechnung, die geleisteten Arbeitsstunden auflisten und in der Bildunterschrift neben den Materialangaben wiederfinden. In der Zeit der Planung und Ausführung ist dann auch der Ort in diesem konkreten Sinn Baustelle: Ein Ort des Experiments, der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Vorgegebenen. Waren die Unterstützenden Maßnahmen noch vorwiegend vertikal ausgerichtet, so ist das Prinzip der Ortsbestimmung hier konsequenter weitergetrieben . Die notwendige Horizontale einer Architektur wird in das Beziehungsgeflecht eingefügt.
Für die Arbeit Grundkredit wird das Kunstforum zum aktuellen Arbeitsplatz, zum Experiment einer Ortsbestimmung. Die meisten Räume, in denen Bosslet bisher gearbeitet hat, waren von roherem Charakter oder nicht direkt als Ausstellungsraum ausgewiesen. Für die Arbeit auf der documenta 8, Kassel 1987, Anmassend hat er sich das Treppenhaus des Fridericianums ausgesucht.
Hier in Berlin nun entstehen in dem großen, runden, nur durch Stützen gegliederten Raum Arbeiten, die nicht isoliert voneinander wahrnehmbar sind. Das elegante äußere Ambiente wird zu einem bestimmenden Faktor in seinem Materialkontrast.
In der jüngsten Werkgruppe werden die Skulpturen aus Hilfsmitteln der Verwaltung wie Karteischränke auseinandergenommen und mit Hilfe von Stahlbändern und Holzklötzen zu Wand- und Bodenarbeiten neu zusammengebaut, Offenkundiger als in den übrigen Arbeiten treten hier die allen Werken innewohnenden physikalischen Kräfte wie Spannung, Gewicht, Schwerkraft zutage, die Struktur und Stabilität der plastischen Konstruktionen bestimmen. Jedes Teil entspricht funktionellen Überlegungen und ist gegenseitig aufeinander angewiesen. Eine höchst sensible Konstellation. Die Werkbezeichnungen wie Sachzwang, Apparat Zahlen und Befehle, Verwaltungstrakt für die Skulpturen, ebenso wie Siemens, Nixdorf, Alkem für die Bilder, sind von Sinn- und Zusammenhang stiftender Funktion. Äußerlich betrachtet mögen die Arbeiten allein durch Größe und Material wie aus einer Vorzeit der heutigen Technologie anmuten. Die staub- und keimfreien Räume der Atom- und Computerindustrie lassen sich mit dem augenfälligen Erscheinungsbild kaum verbinden. Die Bilder weisen geometrische Formen auf, die an die Architektur von Microchips erinnern und ins Grobe, Monumentale gesteigert werden. innerhalb dieser unterschiedlichen Möglichkeiten von Fläche und Raum finden wir allerdings die gleichen Abhängigkeiten wie in den plastischen Arbeiten, die sich bei näherem Betrachten zeigen.
Das Beziehungsgeflecht in Bosslets Arbeiten verweist auf die empfindliche Spannung und Stabilität dieser Gesellschaft.
Britta Schmitz

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