DE-  Schmid, Karlheinz; Kunstjahrbuch, Berlin Oktober 2013, S.124/125, 2013

Eberhard Bosslet – Schöpfer aus dem Equipment der Bau- und Supermärkte
Der Hardliner unter den Dingsda-Produzenten

Die Museumserweiterung der Modernen Galerie im Saarland Museeum durch einen sogenannten Vierten Pavillon inspirierte den Dresdner Künstler Eberhard Bosslet zu den Werken seiner Ausstellung "dingsda", die vom Dezember 2012 bis Mai 2013 bin Saarbrücken zu sehen war. Eine gute Wahl der Museumskuratoren, kennt sich der 1953 in Speyer am Rhein geborene Künstler mit Rauminterventionen doch bestens aus. Seit den 1980er Jahren beschäftigt er sich auf ganz unterschiedliche Weise mit privaten und öffentlichen Räumen.
Heißa, der Mann redet Klartext. Schon immer. Und manchmal kann man das Unverblümte von Eberhard Bosslet, Jahrgang 1953, Professor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, sogar schwarz auf weiß in seinen Katalogen lesen. ,,Die Hochschule und ihre Lehrenden sind Dienstleister gegen über dem Kunden', so heißt es da beispielsweise, ,,und unser Kunde ist der Student": Die Haltung des lehrenden Bildhauers, der bis zum 20. Mai mit seiner jüngsten Ausstellung,,Dingsda" im Saarland Museum vertreten ist, kommt nicht von ungefähr. Allein die beharrliche Wahl seiner schlichten Materialien zeigt seit Jahrzehnten, dass der Teilnehmer der documenta 8 keinerlei Sorge hat, in den Niederungen des Alltags unterzugehen. Vielmehr schöpft er aus dem profanen Equipment der Bau- und Supermärkte, jenen Einkaufswagen, Stahlstangen und Betonmischern, eine ebenso fremd wie verblüffend anmutende Energie, die neue Wahrnehmung im vertrauten Umfeld freisetzt.
Dass der Künstler als Dienstleister dabei keinesfalls ins Kostüm des willfährigen Werkstoffdekorateurs schlüpfen muss, sondern selbstbewusst und bisweilen auch kantig und sperrig auf Menschen und Orte sowie ihre Geschichte reagieren kann, dokumentiert die museale Baustelle in Saarbrücken mit ihren sechs Schaustellen beziehungsweise Werkgruppen. Allein die elektronisch gesteuerte Arbeit,,Roundabout" spricht Bände, die eben auch mit der wohl bislang größten Krise des Museums zu tun hat, wie Meinrad Maria Grewenig, der geschäftsführende Vorstand der personell und baulich gebeutelten Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, freimütig einräumt. Gleichwohl keine Spur illustrativer Herkunft.
Eberhard Bosslet, der Innen- und Außenräume, aber auch private und öffentliche Orte dank seiner meist minimalen Eingriffe auf den Prüfstand stellt (und damit freilich stets auch den künstlerischen Begriff der Intervention), gehört zweifellos zu den Hardlinern unter den Dingsda Produzenten. Er legt die Farben, Töne und Botschaften seiner verwendeten Gegenstände frei und komponiert mit ihnen aufanderer, höherer Ebene unverwechselbare Sinfonien der Auseinandersetzung.,,Das desolate Rotieren der Mischer, die ihre produktivstenTage längst hinter sich haben", erläutert Grewenig, ,,erzeugt einen unüberhörbaren Klangteppich und suggeriert stete Betriebsamkeit, ohne dass sich wirklich etwas ereignet."
So sind die Arbeiten des Künstlers gut geerdet, auf Dingsda-Basis geplant und realisiert - und warten nicht
lange auf den Kunden der zweiten Zielgruppe, nämlich auf den Sammler (darunter war bereits Charles Saatchi zu finden). Denn nach der Ausstellung wird abgebaut und das vorübergehend aufgewertete Material, ohne Pardon, kurzerhand wieder integriert - in den industriellen Kreislauf. Angebot und Nachfrage, Kunstwerk oder Baustoff, Zufall oder Setzung - das Dingsda macht's möglich.
Karlheinz Schmid