Kunstforum International, Bd 101, Juni 1989, von ANGELIKA STEPKEN

Eberhard Bosslet, Kunstforum der Grundkreditbank, 17.3.-16.5.1989

Das „Kunstforum“ der Grundkreditbank, provisorisch als Dependance der Nationalgalerie genutzt, hat sich als Raum für aktuelle Wechselausstellungen bislang nicht bewähren können. Das muß einerseits an dem wenig akzentuierten Veranstaltungsprogramm liegen (von Jakob Mattner zu Paco Knöller, von Attersee zu Francesc Torres...), das jüngst sogar dem Immobilienmakler Klingbeil ein Intermezzo als „Künstler“ einräumen mußte - was die Nationalgalerie zwar nicht zu verantworten, offensichtlich aber zu erdulden hatte. Die geringe Anziehungskraft dieses Forums hat darüber hinaus und vermutlich in erster Linie aber mit seiner eigenen Substanz zu tun, mit der den Künstlern wie dem Publikum abverlangten Akzeptanz einer Architektur, die das Universum des Gelds mit Messing, Marmor und Grünpflanzen auskleidet, sich zur Straße hin konsumanregend mit Bistros und Boutiquen ziert und erst über dieser luxuriösen Publikums-Ebene die Geschosse von Geldverkehr und Kapitalverwaltung auftürmt. Die leere Mitte dieses Universums, das „Forum“ zu ebener Erde, dient der Kunst, wird mit Kunst bedient.
Während in den vorangegangenen Ausstellungen die Künstler dieses abgeschirmte Rund allenfalls - mit entsprechenden Bühnenumbauten - für ihre Zwecke nutzten, hatte Eberhard Bosslet den Vorteil, daß das Thema seiner Arbeit und der Ort ihrer Präsentation aus demselben Stoff sind. Obwohl nur eines der ausgestellten Werke, eben „Grundkredit“, speziell für diesen Raum als „unterstützende Maßnahme“ konstruiert zu sein scheint, geht es doch in allen seinen Arbeiten um jenen gesellschaftlichen Raum, der sich - nicht ohne Druck und Lasten - durch Technik/Technologien und Dienstleistungen (inkl. Kunst) organisiert und verwaltet. Diese allgemeinen Begrifflichkeiten, die Bosslet mit Materialien, Titeln und Konstruktionsweisen seiner Werke deutlich suggeriert, entfalten je nach Präsentationszusammenhang unterschiedliche Schwer-/Bezugspunkle für Interpretationen. (S. seinen Beitrag auf der letzten documenta. der den 1953 geborenen, in Berlin lebenden Künstler nicht nur bis nach New York katapultierte, sondern wohl auch die Aufmerksamkeit der Hiesigen weckte.)
Bosslet arbeitet mit Materialien aus dem Produktions- bzw. Bausektor und dem sog. tertiären Bereich. Schalungselemente, Stahlrohrdeckenstützen und Karteischränke verkörpern dabei die Idee eines Konstruktions- oder Verwaltungsgerüstes, ohne selbst Baustoff zu sein. Die Büroschränke in dezenter Farbigkeit werden von Bosslet auseinandergenommen, disfunktional - im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten - neu montiert und in dieser Form, sachgerecht wie zum Transport mit hölzernen Polstern verpackt, unter dem Druck von Stahlbändern zusammengehalten. Als Objekt stehen sie in Variationen offenbar beliebig im Raum oder hängen monströs an den Wänden. Demgegenüber nehmen die Baustücke eindeutige Bezüge zum Raum auf. Gleich beim Eintritt wird dem Besucher der direkte Zugang zum Zentrum durch eine rohe Bodenarbeit von 4,40 Meter Länge quer versperrt. Eine weitere Bodenskulptur in Kreuzform (750 cm x 750 cm) setzt sich schräg über die Demarkationslinie des „inner circle“ des Forums hinweg, der von acht Säulen gezogen wird.
Und die Arbeit „Grundkredit“, deren quadratische Anordnung von 48 Stahlrohrdeckenstützen den Typ imperialer Säulenordnungen aufgreift, stößt in der Höhe genau an jenen inneren Deckenkreis, ragt seitlich jedoch über die Kreisform hinaus. Die Anordnung der Werke zum Raum ist die einer aufmerksamen Mißachtung.
Die Interpretation seiner Arbeit forciert Bosslet mit Titeln wie „Nixdorf“, „Siemens“ oder „Zahlen und Befehle“, die dem Betrachter wohl gesellschaftspolitische Dimensionen erschließen sollen und gleichzeitig auf die neue Macht der Technologie anspielen, deren Ästhetik (und Kontinuität) Bosslet mit den gigantischen Materialien im architektonischen Raum zu entwickeln und zu materialisieren/verkörpern sucht. Eine Ästhetik, die die Subversion der Kunst auf den Plan ruft.
Der Katalog zur Ausstellung umfaßt 42 Seilen, 26 farbige Abbildungen, einen Text von Britta Schmitz und eine Biografie des Künstlers