Der Tagesspiegel, 7.3.1980, von HEINZ OHFF

Das Environment als Einrichtung

Eberhard Bosslet im Forum für aktuelle Kunst

Das Steglitzer Forum für aktuelle Kunst, die Selbsthilfe-Experimentier-Galerie für unverbrauchte Talente, hat Eberhard Bosslet, sogar unter Einbezug des Kellergeschosses, in ein Gesamt-Environment verwandelt, für das er die deutsche Bezeichnung „Einrichtung“ wählte. Sie trifft wortwörtlich zu, denn eingerichtet hat Bosslet (1953 in Speyer geboren, an der Berliner HdK seit 1975, bei Girke) hier so etwas wie einen Erlebnisraum. Er heißt „Sehensucht“, ein Wortspiel, das das visuelle Verlangen von Kunstfreunden schlagartig – und schlagfertig – umreißt.
Angesprochen werden in ihm freilich mehrere Sinne zugleich, wobei der Tastsinn nicht vergessen wurde. An den Wänden finden sich zwei Plakatcollagen (im hinteren Raum sind zwei weitere Beispiele von Plakatübermalungen zu sehen) und in der Mitte des Raums ein Krankenhausbett mit Mikrofon. Das Mikrofon nimmt auf, was gesprochen wird, und wiederholt es über Tonband echohaft mit einiger Verzögerung. Hinzu kommt, daß in Intervallen von jeweils einer Minute das Licht verlöscht. Dann leuchten plötzlich die – recht komplizierten – elektrischen Strippen in Phosphorfarbe, und der Sicherungskasten scheint sich zu bewegen., im Spiegeltrickverfahren. Stülpt man sich einen der beiden Kopfhörer über, die an der Wand hängen, hört man zusätzlich Musik aus dem Nichts, Wortsalat der Mittelwellen: der Mensch, so suggeriert einem das Environ, ist eingekreist von Elektrizität und Elektronik, daß ihm eigentlich Augen und Ohren übergehen müßten.
Dann geht das Licht wieder an, und man kann die steile Stiege herabsteigen, wo, in umgekehrter Reihenfolge, Licht und Dunkelheit einander ähnlich abwechseln. Das Licht geht hier von einer Unzahl anscheinend wahllos abgestellter Neonteile aus, die zunächst wie ein bunter Schrotthaufen aussehen, aber dann, jäh aufflammend, ein farbkräftiges Bild ergeben, eine Art von Leuchtskulptur. Bosslet arbeitet mit dem, was wir „Medien“ nennen, wie andere mit Pinsel und Farbe. Licht und Dunkelheit, akustische und elektronische Umweltphänomene, Augentäuschung und großstädtische Reklamewelt spielen die Rollen, die sonst Struktur, Komposition oder Modellierung übernehmen. Ein Stück Wahrnehmung, gegenwärtig gemacht auf ungewöhnliche, wenngleich künstlerische, das heißt ästhetisch und handwerklich perfekte Weise.

H. O.

(Forum für aktuelle Kunst, Saarstraße 7, bis 11. April; Donnerstag bis Sonntag 15 – 19 Uhr. Eintritt frei. Katalog 7 DM.)