Die Rheinpfalz, 27.4.1996, ser

BRODELNDES KUNSWERK

Gärturm als Blickfang für Wein-Ausstellung

„Was ist das denn“, lautete die Frage einiger jugendlicher Passanten während der gestrigen Präsentation des sogenannten Gärturm-Rotationsreaktors vor dem Historischen Museum (wir berichteten gestern) . In der Tat sieht der zehn Meter hohe Turm auf den ersten Blick eher profan als künstlerisch wertvoll aus, bei genauerem Hinsehen wird dieser Eindruck indessen revidiert.
Der Turm, der als eine Art vorgelagerter Open-air-Blickfänger für die am 12. Mai beginnende Ausstellung „Mysterium Wein“ fungiert, soll, so Museumsdirektor Meinrad Maria Grewenig gestern in einem Pressegespräch, eine zeitgenössische Perspektive des Zusammenwirkens von Wein und Kunst definieren. Das Innenleben des Turms wird zur Zeit noch von dem in Duisburg lebenden Speyerer Künstler Eberhard Bosslet und dessen beiden Berliner Kollegen Ottmar Sattel und Werner Klotz gestaltet. Dieses Interieur wird den Reaktor über den Vorwurf der optischen Effekthascherei erheben: Von an der Außenfassade angebrachten Fässern werden Blasen ins Innere geleitet, die einen Ballon heben beziehungsweise senken sollen, sprich: das Kunstwerk zum Brodeln bringen werden. Dieser Prozeß, der als Indikator für Alkoholgehalt zu verstehen ist, zeitigt als Nebeneffekt eine variierende Sicht auf den Himmel, ermöglicht durch die nach oben hin offene Bauweise.
Der Gärturm-Rotationsreaktor werde den Bürgern der Domstadt in jedem Falle bis zum Ende der Ausstellung am 22. September erhalten bleiben, so Grewenig, und jedem Passanten eintrittsfrei zugänglich sei. Ermöglicht worden sei seine Errichtung nicht zuletzt dank der Unterstützung der Stadt, die bereitwillig die Baugenehmigung erteilt habe. (ser)