Dr. Margret Lewerenz / „Auf Deutsch Magazin“, Kairo / 2010

ML: Herr Bosslet, man hat Ihnen in verschiedenen Interviews hauptsächlich Fragen zu Ihren Arbeiten gestellt, denn Sie haben ja einen großen nationalen und internationalen Ruf mit Ihren INSTALLATIONEN erlangt, wo Sie mit gewöhnlichen Werkstoffen ungewöhnliche Werke schaffen. Wir möchten Ihnen nun gern einige Fragen zu Ihrer Person und Ihrem persönlichen Werdegang als Künstler stellen.Sie wurden 1953 in eine Künstlerfamilie hineingeboren und sind in einer Stadt aufgewachsen, die reich an künstlerischen Traditionen ist. Denken Sie, dass künstlerische Fähigkeiten vererbt werden können?

EB: Es wird wohl, wie bei anderen Eigenschaften des Menschen, so sein, dass ein Teil erblich übergeben und ein anderer Teil durch das Umfeld, zum Beispiel die Erlebnisse in der Familie, übernommen wird.

ML: Haben Ihre Kinder, Enkelkinder, Nichten oder Neffen künstlerische Berufe ergriffen?

EB: Mein Sohn (18) hat deutliche künstlerische Anlagen, neigt aber zu den Naturwissenschaften und zur Politik. Noch ist sein Lebensweg sehr offen – man wird sehen. Meine Nichte ist Kunsterzieherin in einer allgemeinbildenden Schule.

ML: Inwieweit haben das Elternhaus und die kunstreiche Umwelt in Speyer Sie in Bezug auf Ihren Beruf schon im Kindes- und Jugendlichenalter geprägt?

EB: Mein Vater war als Architekt immer auch frei künstlerisch tätig. Seine Freunde waren Künstler und Kunsterzieher. Meine ältere Schwester und mein Schwager studierten Kunst und wurden Kunsterzieher. Wir gingen oft gemeinsam in Kunstausstellungen und eben auch zuhause hingen viele Bilder an der Wand.

ML: Wie ist Ihr Entschluss gereift, an der Kunsthochschule in Berlin zu studieren?

EB: Schon während der Schulzeit begann ich mich in der Freizeit künstlerisch zu betätigen. Ich machte Poster von Popstars und andere, weit freiere Arbeiten. So stand bald für mich fest, dass ich einen künstlerischen Beruf erlernen wollte. Meine Eltern drängten mich dazu, einen angewandten Beruf als Designer anzustreben. So absolvierte ich zuerst ein Studium zum Textildesigner in Reutlingen. Während dieser Zeit wurde mir aber klar, dass ich danach Freie Kunst studieren wollte, was ich dann auch in Berlin von 1975 bis 1981 an der Hochschule der Künste tat.

ML: Waren unter Ihren Studienkollegen auch begabte Leute, die ohne Kunst in Familie und Umgebung aufgewachsen waren?

EB: An Kunsthochschulen in Deutschland werden nur begabte Leute aufgenommen. Das wird meist über eine eingereichte Mappe mit künstlerischen Arbeiten und oft durch eine Eignungsprüfung festgestellt. Ich hatte mich nie mit meinen Kollegen über deren künstlerischen Familien hintergrund unterhalten. Aus meiner Tätigkeit als Professor an der Hochschule für Bildende Kunst Dresden weiß ich aber, dass viele Studierende im Elternhaus keinen künstlerischen Hintergrund haben.

ML: Schon während Ihres Studiums haben Sie sich mit Skulpturen und Installationen beschäftigt. Wie kam es zu dieser Hinwendung zum Dreidimensionalen, nachdem Sie ursprünglich mit der Malerei angefangen hatten?

EB: Da es mich von Anfang meines Kunststudiums an nicht interessierte, Realitäten abbildende oder darstellende Bilder zu malen, sondern mich immer mehr das gemalte reine Farb-Form-Ereignis auf dem Bilduntergrund interessierte, begann ich in der Endphase des Studiums auszuprobieren, wo Farbe überall aufgetragen und ihre Wirkung im Kontext mit anderen Eigenschaften und Referenzen des Untergrunds entfalten kann. So kam ich zum Dreidimensionalen und den Interventionen in den öffentlichen Raum. Ich lege mich auf kein Medium fest und benutze das, was mir adäquat erscheint.

ML: Inwieweit hat die Stadt Berlin, die damals ja noch geteilt war, Sie in Ihrer künstlerischen Entwicklung beeinflusst? Hatte Berlin einen Einfluss auf Ihre INTERVENTIONEN, diese Eingriffe in den architektonischen Innen- und Außenraum, wie ein Interviewer einmal diesen Begriff definiert hat?

EB: West-Berlin war in den 70er/80er Jahren weit weg von der in Westdeutschland gelebten Wirklichkeit und Kultur. Mal abgesehen von der allseits offiziell geförderten, wiederauflebenden expressiv-figurativen Malerei gab es ein weites subkulturelles Umfeld einschließlich der beginnenden Öko- und Punk-Bewegungen. Hausbesetzungen und andere Formen des sich Einmischens in offizielle Gesellschafts- und Politikstrukturen bildeten das Umfeld. So begann ich, mich künstlerisch in reale Zusammenhänge einzumischen, zu intervenieren.

ML: Sind Sie in der Zeit zwischen dem Ende Ihres Studiums und Ihrer Berufung zum Professor für Skulptur und Raumkonzepte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, d. h. zwischen 1982 und 1997, viel gereist? Waren Sie auch in Ägypten?

EB: Ich war erstmalig 1998 mit Frau und 7-jährigem Kind in Ägypten. Wir hatten erstmalig eine Pauschalreise gebucht. Eine Woche Hurghada und eine Woche Nilkreuzfahrt mit der Besichtigung der Sehenswürdigkeiten.

ML: Wenn ja: Was hat Sie da am meisten beeindruckt und künstlerisch geformt?

EB: Ich war mächtig beeindruckt und froh, die vielen Altertümer, die ich aus Vorlesungen und Büchern kannte, endlich selbst gesehen und gespürt zu haben. Vor allem das Eingebettetsein der Bauwerke in die Landschaft oder den urbanen Stadtraum und deren Dimensionen kann man nur selbst erleben, das ist über Medien nicht vermittelbar.

ML: Wenn nein: Interessiert es Sie, die Antike und moderne Kunst in Ägypten kennen zu lernen?

EB: Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, z. B. Kairo kennen zu lernen. Ganz besonders würde mich die zeitgenössische Kunst dort interessieren. In 2009 habe ich den ägyptischen Künstler Moataz Nasreldin während der „2. Bienal de Canarias“ auf Gran Canaria kennen gelernt. Ich schätze ihn sehr und würde mir gerne bei Gelegenheit von ihm die aktuelle Kunstszene zeigen lassen.

ML: Zuletzt möchten wir Sie noch bitten, uns am Ende dieses interessanten Interviews mitzuteilen, welche Eigenschaften nach Ihrer Meinung ein junger Mensch unbedingt mitbringen muss, um eine künstlerische Karriere zu machen.

EB: Er sollte sich nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Kunst anderer zeitgenössischer Künstler interessieren. Er sollte unnachlässig künstlerisch arbeiten und den Erfolg auch wirklich wollen und entsprechend aktiv sein.

ML: Vielen Dank und alles Gute auf Ihrem weiteren Lebensweg!

EB: Vielen Dank für Ihr Interesse und alles Gute für 2010.